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TV-Duelle now and then

 

Als 1960 Richard M. Nixon mit John F. Kennedy debattierte, hätte er dies nicht tun sollen. Das zumindest war und ist die verbreitete Ansicht unter Politikern, Historikern, Politikwissenschaftlern und allen denen, die von sich behaupten, politisch interessiert und informiert zu sein. Nixon führte bis dahin die Umfragen an und Kennedy war ein recht unbekannter junger Politiker, der keine Gefahr darstellte. Doch es kam anders. Kennedy überzeugte als ein versierter und gebildeter Politiker, sah gut aus und konnte dem amtierenden Präsidenten Paroli bieten. Und er gewann zwei von den drei Debatten. Und er gewann schließlich auch die Wahl. Ob es die Debatten waren oder nicht, lässt sich nicht klar beweisen, aber Millionen schauten zu und erlebten, wie die Debatten in der Medienberichterstattung positiv dargestellt wurden und Kennedys Popularitätswerte danach kontinuierlich anstiegen. In den USA gab es nach der Nixon-Kennedy-Erfahrung bis 1976 keine Debatten mehr. Heute sind sie eine fest institutionalisierte Einrichtung im Wahlkampf.

In der Bundesrepublik (siehe auch die Beiträge hierzu von Jürgen Maier und Thorsten Faas) gibt es seit 1972 Fernsehdebatten, die ursprünglich so genannten Elefantenrunden. Reinhard Appel als Moderator der zweiten deutschen Fernsehdebatte 1972 sagte: „Ich danke den Parteivorsitzenden dafür, dass sie sich … unseren Fragen gestellt haben; ich persönlich finde, das ist mehr Demokratie“. Doch ist es nun mehr Demokratie oder doch nur politisches Marketing? Die Politiker nehmen teil, weil sie Wahlen gewinnen wollen. Sie müssen sich überlegen, ob die Debatten sie ihrem Ziel näher bringen werden oder nicht. Die Forschung zeigt, dass Debatten die Einstellung zu Kandidaten beeinflussen können und somit auch den Wahlausgang. Folglich versuchen die Politiker, diese Debatten in ihrem Sinne zu gestalten.

1990 verweigerte sich Helmut Kohl den Debatten, da er vermutlich der Meinung war, im Jahre Null der deutschen Einheit bei so vielen Parteien im Bundestag und somit Diskussionsteilnehmern, unterzugehen. 1998 forderte Schröder Helmut Kohl zum direkten Vergleich ähnlich den USA heraus, aber Kohl lehnte ab. Seit 2002 sehen wir nun Debatten als Kandidatenkonfrontationen nach amerikanischem Format ohne Beteiligung anderer Parteivertreter. Es gilt nun abzuwarten, wie, wie viele und in welcher Zusammensetzung die Fernsehdebatten vor dieser Herbstwahl wohl stattfinden werden. Es ist anzunehmen, dass weder Frau Merkel noch Herr Steinmeier ein großes Bedürfnis haben, mit den Herren Gysi oder Lafontaine zu debattieren, aber die Frage wird sein, ob die kleineren Parteien eine Elefantenrunde erzwingen können. Sie werden es sicherlich versuchen. Natürlich kann ein Fernsehsender einladen, wen er will, aber dennoch ist zu bedenken, dass in der Bundesrepublik keine Kandidaten, sondern Parteien gewählt werden. Wenn mehr Demokratie dargestellt werden soll, dann müssten eigentlich alle Parteien gehört werden und nicht nur die zwei Bewerber um das Kanzleramt. Erleben wir also „mehr Demokratie“ oder bloßes politisches Marketing?