Ich rege mich nie auf. Außer ich habe einen Grund. Letzte Woche zum Beispiel:
Großmutterdienst in der Innenstadt. Ich schiebe den Kinderwagen. Drin thront meine Enkelin Lea, die gerade ihre Wurstsemmel verzehren will. Auf einmal springt ein Riesenhund mit scharfen Zähnen daher und schnappt, genau zwischen Händchen und offenem Mündchen des Kindes, die Wurstsemmel weg.
Schriller, langer, nie enden wollender Aufschrei. Tausend Alarmglocken in meinem Großmutterherzen: Der Hund hat die Hände und die Zunge meiner Enkelin abge-bissen! Nein. Die Hände sind da. Ich zähle die Fingerchen. Zehn. Auch der brüllende Mund ist unversehrt, die Zunge und alle Zähne sind noch drin. Die Alarmglocken werden leiser. Leas markerschütterndes Schreien nicht.
Der Hund und sein Besitzer sind weitergegangen. Ich schreie: „Sie, Ihr Hund hat gerade die Wurstsemmel meiner Enkelin gefressen!“ Der Mann dreht sich um, schmunzelt und sagt beinahe vorwurfsvoll: „Na, Sie müssen schon aufpassen!“ Und zieht von dannen mit seinem Monster.
Der Hundeführerschein, über den bei uns in Österreich gerade diskutiert wird, ist zwar eine gute Idee. Aber ich plädiere für einen viersemestrigen Benimmkursus für Hundebesitzer. Mit obligatem Feingefühlseminar.
Marie-Luce Eröd, Wien