Beim Stöbern in einer alten Eichenholztruhe entdeckte ich zwischen vergilbten Zeitungen einen uralten Versandhauskatalog. Welch ein Schatz! Und beim Blättern, ich konnte es kaum glauben, fand ich auf Seite fünf unter dem Slogan „Schöne Tage – neue Moden“ mein Kleid! Meine Mutter hatte es damals für mich bestellt.
Erinnerungen wurden wach: Sommer 1958, die DDR, erst wenige Jahre alt, wollte etwas bieten. Das Angebot der Versandhäuser erschien riesig im Gegensatz zu den erbärmlichen Auslagen in den kleinstädtischen Läden. Ein heißer Sommer, eine Kleinstadt nahe der Zonengrenze, ein junges Mädchen, 15 Jahre alt, blond wie das Mädchen im Katalog, flaniert mit Freunden durch die engen, staubigen Straßen, möchte gefallen in dem neuen Kleid, blau-weiß mit weißem Lackgürtel. Ein Gefühl wie auf dem Catwalk. Ein wunderbar sattes Gefühl in einer entbehrungsreichen Zeit. Ein kleines Glück in einer Diktatur voller Widersprüche. Bilder, mit leichter Wehmut gezeichnet von einer inzwischen 66-Jährigen.
Ute Krauel, Köthen (Anhalt)