Unser Nachbar ist ein großer Liebhaber und Sammler von allem Alten. Eines Tages brachte er aus einem Antiquitätenladen in Goslar einen aus Bronze gegossenen Hund mit, ein sehr schönes, dekoratives Stück. Er machte sich an eine gründliche Reinigung, schraubte die Bodenplatte ab, auf der der Hund stand und – fand zu seinem Erstaunen im Hohlraum einen vergilbten Zettel, auf dem etwas in Sütterlinschrift stand. Und weil er es nicht lesen konnte, kam er zu mir. Auf dem Zettel hieß es:
Josephine! Wenn der Zufall einst Dir diese Zeilen zu Gesicht bringt, so wisse, dass ich Dich lieben werde, bis mein Herz hört auf zu schlagen. Du vernichtest mit nur einem Schlage mein Dasein, aber ich kann Dich nicht hassen, der Gedanke an Dich foltert mich Tag und Nacht. Am liebsten möchte ich sterben, dann wär’s mit einmal still.
Berlin, am 2. Mai 1875. Julius Fleischer
Der Inhalt dieses Briefes wird sein Geheimnis wohl nie preisgeben. Aber eines ist sicher: Die Frau, der diese Zeilen galten, hat sie nie gelesen.
Brigitte Becker, Lutherstadt Eisleben