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Nehmt die koloniale Brille ab!

 

Schon im Vorfeld wurde die erste Fußball­WM in Afrika von den Me­dien zerredet: die Infrastruktur, die Organisation, die Sicherheit im Gastgeberland! Leider ist der Blick auf Südafrika und dessen Kontinent auch wäh­rend dieser WM immer noch frag­würdig: Die Einspieler verschie­dener Fernsehanstalten zu ihren Übertragungen knüpfen nahtlos an Disneys König der Löwen an und warten mit erdigen Farben und viel Tamtam auf. Jürgen Klinsmann spricht bei RTL vor einer Partie der ghanaischen Mannschaft von ei­nem „Heimspiel“. Doch Accra und Pretoria liegen rund 4500 Kilo­meter Luftlinie auseinander. Be­schämend, dieser kolonial verein­fachende Blick! Und dann sind da noch die Vuvuzelas. Sie seien zu laut, sie nervten, sie unterdrückten La Ola, so die einhellige Meinung von ARD und ZDF. Doch was macht der lächerliche Unterschied zwischen 123,9 Dezibel der Vuvu­zela und 123,7 einer Pressluftfanfare? Gut: Man kann keine Fange­sänge mehr hören, somit aber auch keine Rüpelchoräle und Pfeifkon­zerte bei gegnerischen Ecken und Freistößen. Außerdem könnte man da fast ein bisschen Neid vermuten – schließlich braucht man einiges an Lungenvolumen und körper­licher Fitness, um mit einer Vuvu­zela über 90 Minuten seinen Spaß zu haben, der Druck aufs Knöpf­chen genügt da nicht. Und die zweifellos schön anzuschauende La Ola stammt aus Lateinamerika. Warum sollte sie unbedingt auch in Südafrika ihre Runden drehen?

Marc Aurel Jensen, Braunschweig