Die siebenköpfige kurdische Familie, die ein Doppelhaus mit mir teilt: Sie bringt mir Respekt und Ehrfurcht entgegen, nicht weil ich alt bin, sondern weil ich ein langes Leben gelebt habe, wie mit der 18-jährige Visdan erklärte. Firkrie, die Mutter, bringt mir von ihren Speisen, und ich lerne wieder die alte Kunst des Ausleihens, sei es eine Zwiebel oder eine Tasse Zucker. Mit Busra, der einzigen Tochter, kann ich mich über Politik unterhalten, sie hat viel Ahnung und interessiert sich für die Rolle der Frau, sowohl in Kurdistan als auch in Deutschland. Umut, der Erstgeborene, ist ein zorniger junger Mann, schön wie ein Gott. Wenn ich Kuchen rüberbringe, legt er zum Dank in einer unnachahmlichen Geste seine rechte Hand auf sein Herz und verbeugt sich leicht. Med, 14, und Ahmed, 12, führen mich in die Welt des Fußballs ein, und so bleibe ich im wahrsten Sinn des Wortes am Ball. So erleben wir Nähe und Distanz, zwei Kulturen, die sich gegenseitig bereichern. Als Symbol dafür steht unser gemeinsamer Gartenzaun: Die Kapuzinerkresse auf meiner Seite verbindet sich mit dem Wein auf der anderen – harmonisch und schön. Herr Sarrazin sollte uns einmal besuchen! Aber ich glaube, meiner Kapuzinerkresse würde das nicht gefallen.
Clara Squarra, Münster