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Zeitsprung: Die Gemeindeweide

 

1935

Ich habe es noch in den Ohren, das „Muh“ der Kühe, die durch mein Heimatdorf im Westerwald schlurften, sei es als Zugtier vor dem Pflug oder den Erntewagen oder als Milchlieferant, wenn sie von der Gemeindeweide kamen. Die Kühe als Zugtiere bestimmten die Zeit, nach ihrem Tempo musste sich die Ernte richten, und wenn ein Gewitter aufzog, ging ein Blick zum Himmel: Würden wir es noch rechtzeitig in die Scheune schaffen? Hühner scharrten auf dem Mist, und im ganzen Dorf hörte man die Hähne krähen.

2010

Aber nach dem Krieg, als das Leben sich wieder normalisierte, war bald klar, dass die Landwirtschaft keine Familie im Westerwald mehr ernähren konnte: Die Felder waren klein, das Klima war rauh. Es wurde immer weniger mit Ackerbau und Viehzucht. Heute versperrt kein Erntewagen mehr den Ausblick auf die Landschaft, und man hört nur noch das „Wusch, Wusch“ der Windräder, die die Windenergie in Strom umwandeln. Aus der großen Gemeindeweide ist ein Golfplatz geworden.

Karlheinz Dick, Leichlingen