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Kleine und große Egoisten

 

Auf dem Spielplatz wird die Sandburg meines Sohnes dreimal vom selben Jungen zerstört. Der daneben sitzende Vater des Zerstörers meint lächelnd, dann müsse mein Sohn die Sandburg eben wieder neu aufbauen. Im voll besetzten ICE-Abteil spielt ein Zweijähriger Triola, während ich meine beiden Kinder stetig bitte, aus Rücksicht auf die anderen Reisenden nicht so laut zu sein. Die Mutter des trötenden Kleinen greift nicht ein. Auf dem Weg zum Fahrstuhl mit Gepäck und Kindern überholt uns ein älteres Ehepaar, das froh ist, vor uns in den Fahrstuhl einzusteigen, und das gar keine Lust hat, für uns etwas zusammenzurücken. Was ist mit den Menschen los? Warum denkt jeder nur an sich? Nimmt die Rücksichtslosigkeit zu, oder bilde ich mir das ein? Bei einer Radtour werden wir von Joggern, Spaziergängern, anderen Radfahrern angemotzt, die sich offensichtlich durch uns gestört fühlen. Was ist so schlimm daran, wenn man wartet, dem anderen Vorfahrt gewährt, einmal zurücksteckt, um beim nächsten Mal wieder Erster zu sein? Ich finde keine Antwort. In einer Gesellschaft voller großer und kleiner rücksichtsloser Egoisten möchte ich jedoch nicht leben. Also versuche ich es weiterhin mit der Gegenstrategie und lasse die Triola für meine Kinder zu Hause, wenn wir Zug fahren. In der Hoffnung, dass ihr anerzogenes Sozialverhalten sie später nicht behindern wird.

Anja Flade, Berlin