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Wiedergefunden: Vier Zeilen Verzweifelung

 

Als ich neulich wieder einmal diese letzte Seite der ZEIT aufschlug, las ich voller Freude über ein Kind, das in einem Brieflein von seiner Liebe zu den Eltern spricht. Auch ich fand bei mir solch ein Brieflein, das jedoch ganz andere Gefühle ausdrückt.

1982 war mein Adoptivsohn schon zwölf Jahre alt. Er war mit neun Monaten zu uns gekommen. Die eigene Mutter behielt ihn nur drei Monate, die Großmutter drei Monate und dann drei Monate eine „Pflegemutter“, die ihn im Kinderbettchen angebunden hatte, wenn sie ihren Hausmeisterpflichten nachging. Dann kam er zu uns. Er hat nie zu jemandem eine Beziehung, etwas Liebevolles aufbauen können. Als er sieben Jahre alt war, bekam er eine zweieinhalbjährige Spieltherapie. Andere Therapievorschläge lehnte er später ab. Alle meine Liebe und meine Gefühle kamen bei ihm nicht an. Heute ist er vierzig Jahre alt, lebt arbeitslos in einer deutschen Großstadt und hat sich völlig von uns losgesagt. Daher rührt mich auch dieses Briefchen, das mich an einen schlimmen Lebensabschnitt erinnert. Und mir geht das Herz über, wenn ich den Kinderbrief auf der letzten Seite der ZEIT lese.

Christel Kirchhoff, Stuttgart