Neulich besuchte ich meine Nachbarin und ihren kleinen Enkel. Nach dem Essen holte sie fünf verschiedene Arzneimittel hervor und machte sich daran, sie ihm zu verabreichen. Dabei hatte der Junge bisher einen fitten Eindruck auf mich gemacht. Die erste Dosis spuckte er sofort aus und erbrach anschließend sein gesamtes Essen. Ich fragte, welche Beschwerden er denn genau hätte. „Etwas mit dem Magen“, sagte meine Nachbarin. „Vielleicht Würmer, der Stuhl sei so schleimig. Auch habe er leichtes Fieber. Sie war im Gesundheitszentrum gewesen, und da hatten sie bei ihm unter dem Arm eine Temperatur von 36,5 Grad gemessen. Sie hatten ihr die fünf verschiedenen Medikamente gegeben, und sie dosierte jetzt einfach wahllos, fragte dann auch noch, ob ich mal kosten wolle, es würde gar nicht schlecht schmecken. Zunächst war da Paracetamol-Sirup, dann ein flüssiges Multivitaminpräparat, ein Antibiotikum und schließlich ein Mittel gegen Bronchitis und Ohrenentzündung, nicht zu vergessen das Malariamittel „wegen des Fiebers“. Kein einziges Wort von Magenproblemen oder Würmern auf allen Beipackzetteln!
Ich riet ihr, am nächsten Tag mit dem Enkel einmal ins Krankenhaus zu gehen. Dort wurden zwar alle Medikamente sofort gestrichen, aber als ich die beiden besuchte, hing der Kleine tapfer und stolz am Tropf mit einer Glukoselösung. Vier Tanten, zwei Großmütter, ein Großvater und schließlich auch sein Vater scharten sich um sein Bett. Zwei Tage später wurde der Kleine nach Hause entlassen. Gesund.
Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas