Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Eine kleine Weltreise…

 

… aus traurigem Anlass unternimmt Sabine Kröner, 55: Sie wird nach Buenos Aires fliegen und dann per Schiff durch die Magellanstraße und die Südsee nach Australien, Indonesien, Malaysia, Birma, Indien, Arabien und durch den Sueskanal bis nach Venedig fahren. Auf dieser Seite wird sie jede Woche berichten. Heute erzählt sie, wie es zu ihrem Entschluss zur Weltreise kam

Für viele Menschen ist sie ein Traum, und für viele bleibt sie das auch, eine Reise um die ganze Welt. Sie scheitert an der dafür notwendigen Zeit, am Geld oder auch am Mut. Gönnt man sie sich dann doch, so meist zu einem fröhlichen Anlass, Ehejubiläum, runder Geburtstag, Eintritt ins Rentenalter. Nicht so in meinem Falle. Der Idee zugrunde liegt ein sehr trauriges Ereignis, der Freitod meines Ehemannes im letzten Sommer. Nach jahrelangem Kampf mit den Dämonen der Schizophrenie waren seine Kräfte erschöpft. Ganz still und heimlich ist er von unserer Terrasse gesprungen, als ich zurückkam vom Einkaufen war er einfach tot. Schockiert, gelähmt, an die darauffolgenden Tage kann ich mich kaum erinnern. Trauerfeier und Urnenbestattung mussten organisiert werden, Formalitäten erledigt. Ich habe funktioniert und meinen Alltag mit den gewohnten Ritualen überstanden. Zu diesen gehört auch die Zeitungslektüre. Eines schönen Sonntags hat die Werbung für eine „kleine Weltreise“ meine Lebensgeister wachgerüttelt. „Das tust du“, habe ich mir gesagt, „das ist besser als jede Therapie.“ Ich habe meinen Freundeskreis und die Familie mit meinem Beschluss konfrontiert. Nun trennte sich die Spreu vom Weizen: Die Guten haben mich bestärkt in der Idee, die Schlechten haben mir den Rücken gekehrt, es als eine Flucht vor der Realität bezeichnet. Doch wie sieht die Realität aus? Ich möchte leben, mit Respekt vor der Vergangenheit und dennoch in der Gegenwart.

Sabine Kröner, Heidelberg