Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Eine kleine Weltreise (2)

 

Ein Weltreise aus traurigem Anlass unternimmt Sabine Kröner, 55: Im vergangenen Jahr ist ihr Mann in den Freitod gegangen, jetzt will sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Sie wird nach Buenos Aires fliegen und dann per Schiff durch die Südsee nach Australien, Indonesien, Malaysia, Birma, Indien, Arabien und durch den Sueskanal bis nach Venedig fahren. Auf dieser Seite wird sie jede Woche berichten. Heute: Wie plant man eine Weltreise?

Gesagt, getan. Die „kleine Weltreise“ muss gebucht und organisiert werden. Mit Google komme ich in diesem Fall nicht weiter. Teilstrecken, mal all-inclusive, mal nicht, Landausflüge dito. Wende mich also an meine Nachbarin Sandra. Sie arbeitet in einem Reisebüro und hat mit ihrem Mann zusammen den Sturz meines Mannes live miterlebt. Sie haben den Aufprall gehört, sind runtergegangen und haben Schlimmes gesehen. Sie verschweigen es mir bis heute. Sandra sagt: „Fahre, hol dir neue, schöne Eindrücke!“ Sie hat es mir dann durchgerechnet. Ist der Preis eines Mittelklassewagens, mit dem ich schon geliebäugelt hatte. Weltreise anstatt Giulietta, sage ich mir. Mein Elefantino muss halt noch ein bisschen fahren.

Nun werde ich von Tag zu Tag nervöser – Reisefieber und die Erkenntnis: Du bist keinem Rechenschaft schuldig. Hart, aber birgt auch die große Freiheit in sich: Darf endlich machen, was ich will. Keine Rückversicherung von Mama und Papa, keine Diskrepanzen mit dem Ehemann. Sollte das die „unendliche Leichtigkeit des Seins“ sein? Mir ist mulmig: Wie kriege ich 30 Kilo in den Flieger? Habe ich hier zu Hause alles korrekt hinterlassen? Was, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert? Dann bin ich einfach nicht da. Ist das leichtfertig, ein Risiko? Ich tu’s, ich muss es tun, für mich, denn für Tote kann ich nichts mehr tun, außer an sie zu denken. Ich möchte diese Reise meinem geliebten Mann widmen, nur für ihn schreibe ich hier.

Sabine Kröner, Heidelberg