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Deutschland, Lager-Land

 

In Passau gibt es vier Asylbewerberheime. Wir, ein Team von StudentInnen der Passauer Uni und ich als ehemalige Ärztin, bieten den Flüchtlingen aus Afghanistan und Afrika kostenlosen Deutschunterricht an. In den zum Teil weit abgelegenen Lagern wohnen meist junge Männer, die von dem Familienclan als Hoffnungträger nach Deutschland geschickt werden. Viele haben erhebliche Traumata hinter sich: Bruder aus dem Hinterhalt erschossen, ständiger nächtlicher Raketenbeschuss der Taliban auf US-Stützpunkte, willkürliche Gefangennahme auf der Straße weil man keinen Bart trägt.

Bis zu sechs Menschen teilen sich ein kleines Zimmer, in einem der Heime ist nur eine Toilette für zehn Menschen vorhanden. Vor allem hier in Bayern sind die Lebensbedingungen sehr bedrückend: Die Lager sind zum Teil weit von einander und vom Zentrum entfernt und schlecht zu erreichen. Der letzte Bus fährt um 19 Uhr hinauf. Sie dürfen nur mit Einladung und amtlicher Genehmigung reisen, für die Bearbeitung fallen 10 Euro an. Von ihren 40 Euro Taschengeld im Monat benötigen sie 35 Euro für die Bustickets zu den Deutschstunden, die wir ihnen ohne Bezahlung anbieten.

Zunehmend lehnen sich die Asylbewerber gegen solche Zustände auf. Lieber hätten sie Geld für Kleidung und für selbst ausgesuchtes Essen statt Essensmarken. Die Ungewissheit: Kann ich bleiben? Wie geht es meiner Familie? Das Verbot, Arbeit zu suchen, zerrt an ihren Nerven, an ihrem Gemüt. Fast alle Afghanen bekommen Ablehnungsbescheide, gegen die sie zwar Rechtsbeistand suchen können – aber woher das Geld nehmen? Etliche werden depressiv, durch den Druck und durch die Ungewissheit, mangelnde Kontakte hier und zu den Angehörigen. Etliche kommen auch mit Erkankungen hier an, die in ihrem Land vernachlässigt wurden.

Gefragt, was ihn am meisten stört an an diesen Verhältnissen, antwortet ein junger Bauer aus Afghanistan: „Mich stört nicht viel, ich bin ein Mensch und ich liebe Menschen „. Dass sich trotz den widrigen Umständen zwischen den Bewohnern und unserem Team ein so erfreuliches Vertrauensverhältnis entwickelt hat, ist erfreulich und ermutigend.

Hier hat sich das Bündnis für die Rechte der Flüchtlinge gebildet, so wie im übrigen Teil von Deutschland (Pro Asyl, refugio – für misshandelte Frauen, die Karawane, Lagerland etc.)

Dr. Anne Hahn, Passau