… aus traurigem Anlass« unternimmt Sabine Kröner, 55: Nach dem Tod Ihres Mannes im vergangenen Jahr will sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Von Buenos Aires aus ist sie per Schiff um die Südspitze Amerikas in die Südsee gefahren, über Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Myanmar, Indien, die arabische Halbinsel und durch den Sueskanal geht es weiter bis nach Venedig.
Vor achtzehn Jahren habe ich schon einmal hier in Südostasien den Äquator überquert. Das war damals in Sumatra, und wir waren zu Fuß unterwegs. Mit einem Bein auf der Südhalbkugel, mit dem anderen im Norden. Es war High Noon, die Sonne stand im Zenit. Kein Wasser weit und breit, keine Zeremonie. Nur wir, zu zweit allein.
Diesmal ist alles anders. Und an Bord eines Schiffes, das weiß seit der Aufregung um die Gorch Fock auch die letzte Landratte, wird das Passieren des Äquators ganz besonders gefeiert. Diesmal hält Neptun Hof, zu seinen Füßen Thetis ganz in grün mit Dreizack und einem toten Fisch. Der Kapitän nimmt den Schlüssel für die nördliche Hemisphäre in Empfang. Danach werden willige Passagiere von Teufelchen zur Äquatortaufe geleitet. Und weil ich vorne sitze zum Fotografieren, bin ich als Erste dran. Meine Stirn wird mit einem Stempel versehen, dann meine Nase mit hellblauer Schlagsahne bestrichen. Unangenehm. Der bessere Teil jedoch folgt sogleich: Ein kräftiger Schuss Wodka in den Mund aus der Spritze des Schiffsarztes, danach ein Rollmops. Lecker! So verwöhnt, bringe ich auch den Abschluss des Rituals hinter mich: den toten Fisch küssen und ekliges giftgrünes Zeug trinken.
Immerhin bekomme ich auch eine Urkunde dafür. Nur ungerecht, dass alle diese Auszeichnung erhalten, auch die, die sich gedrückt haben. Und wieder einmal Grüße, diesmal nach München und nach Mainz. Hildegard, gib doch bitte Deine Adresse an die ZEIT der Leser« wegen der Fotos! Die Heidelberger hab ich bislang ganz vernachlässigt. Es ist mir zu heiß hier, ansonsten geht es mir gut.
Sabine Kröner, zzt. 0° 52′ Nord, 119° 11′