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Schockschwerenot: Mein Wort-Schatz

 

Im Grunde ist mein Wort-Schatz ein Schimpfwort, aber da er so herrlich altmodisch ist, würde ich sogar sagen, er klingt ein bisschen vornehm. Wenn ich über etwas erstaunt bin und darüber, was mir jemand zumutet, auch ein wenig befremdet bis ärgerlich: Was steht mir zur Verfügung? »Ach du Sch…!«, nein, das gebrauche ich nie. »Mein lieber Schwan!«? Nein, zu sehr Lohengrin. Viele sagen oder schreiben gar »Weia!« – im Grunde auch Wagner: »Wagala weia, woge, du Welle«. Also: nein! Oder: »Mann, ej!« oder »Menno!«? Nee! Da ich ein freundlicher und langmütiger Mensch bin oder zumindest so tue, will ich den Gesprächspartner nicht gleich selber ärgern. Und so passt mir ein Wort am besten, das das Gegenüber überrascht und die Zumutung gleich ein wenig entschärft, wie ich meine: »Schockschwerenot

Ich hörte das, wenn ich mich recht erinnere, erstmals in Cyrano de Bergerac (einer der jungen Soldaten wagt es, über die große Nase des Titelhelden zu sprechen, worauf dieser es ausruft).

Ich habe mit diesem Wort immer den erwünschten Erfolg: Der, der mich ärgert oder ärgern wollte, ist erst mal baff. Ich bekam sogar mal das Kompliment, ich sei der einzige Mensch im Bekanntenkreis, der dieses Wort verwende. »Schockschwerenot« ist übrigens präzise. Das Wort bezeichnet doch genau das, was man angesichts einer überraschenden Zumutung empfindet: erst einen Schock, dann eine schwere Not bei der Suche nach der angemessenen Reaktion.

Jürgen Hartmann, Stuttgart