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Sammelsurium: Mein Wort-Schatz

 

Als Kind herrschte ich über einen wunderbaren Schatz, der in meinem Kinderzimmer, ohne erkennbares System, weitflächig verteilt war. Diesen Schatz hatte ich in vielen Jahren liebevoll zusammengetragen. Es handelte sich um außerordentlich wertvolle Dinge, wie Muscheln, Steine jeder Größenordnung, rostige Schrauben mit Muttern und Unterlegscheiben, Hunderte von Einzelteilen aus dem Märklin-Baukasten, halb fertige Traktoren und Portalkräne, speckige Stofftiere, Sportabzeichen der verschiedensten Leistungsstufen und viele andere Herrlichkeiten. Nichts davon hätte ich hergegeben, es sein denn über meine Leiche. Meine Mutter allerdings konnte den Wert der außergewöhnlichen Sammlung offenbar auch nicht andeutungsweise ermessen. Sonst hätte sie nicht eines unschönen Tages in wenig freundlichem Ton zu mir gesagt, ich solle doch endlich das ganze Sammelsurium wegschaffen. Geblieben ist mir ein frühkindliches Trauma neben der Gewissheit, dass es kein hässlicheres Wort auf der ganzen Welt gibt, als das Teufelswort Sammelsurium, vor allem im Zusammenhang mit den Schätzen eines Kindes. Und sollte ich jemals einen Meuchelmord begehen, wird mein Anwalt gut daran tun, diese tiefe Verletzung strafmindernd vorzubringen.

Willi Oberholz, Wittlich