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Das ist mein Ding

 

Diese Lokomotive hat mich bis zum heutigen Tag immer und überall begleitet. In meiner Kindheit wurde die Lok, zu der noch ein Wagen gehörte, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen zum Spielen »freigegeben« und dann auch nur unter Mutters wachsamen Augen. Waren es doch die letzten Gegenstände, die unmittelbar von unseren Vater kamen und an ihn erinnerten. Wie unsere Mutter uns erzählte, hatte ihr Mann Lok und Wagen in den wenigen freien Zeiten des Russlandfeldzuges für seine Kinder geschnitzt, und sie erreichten uns, in einem Feldpost-Paket gut verpackt, auf beinahe wundersame Weise kurz vor Weihnachten 1943. Unser Vater geriet dann 1944 in rumänische Gefangenschaft, galt als vermisst und starb vermutlich im darauf folgenden Winter in den endlosen Weiten Sibiriens.

Über den Wert und die Bedeutung dieses Spielzeuges haben meine Schwester und ich als Kinder verständlicherweise selten nachgedacht. Erst später bekam dieses Geschenk seinen beinahe reliquienhaften Charakter. Sicherlich wird diese Kostbarkeit wohl auch von den nachfolgenden Generationen behütet und bewahrt werden, als Erinnerung an einen unglücklichen Menschen, der damals in einem sinnlosen Krieg nicht nur sein Leben verlor.

Henning H. Drescher, Bad Arolsen, Hessen