Wenn meine Mutter uns zum dritten Mal aufgefordert hatte, ihr beim Tischdecken zu helfen, meine Schwester und ich uns aber einfach nicht dazu aufraffen konnten, weil das Lesen in unseren Schmöckern einfach zu viel Spaß bereitete – dann machte sich die Mutter zwar wortlos, aber mit Leichenbittermiene selbst an die Arbeit. Wenn wir dann mit fadenscheinigen Ausreden am gedeckten Tisch eintrafen, würdigte sie uns keines Blickes, sondern begann ingrimmig schweigend die Suppe zu verteilen. Erst ein dickes und wohlverdientes Lob konnte ihr ein kurzes Lächeln entlocken, und alles war dann wieder vergeben.
Anna Miederer, erlangen