Meine Mutter hat, soviel ich weiß, während unserer Kindheit keine Elternratgeber gelesen. Sie schenkte die Zeit, die sie hatte, uns Kindern lieber direkt: meinem Bruder und mir. Auch das Modewort »Entschleunigung« kannte sie nicht. Aber wenn wir morgens geweckt wurden, dann mussten wir nicht gleich aufspringen. Nein, wir durften ausbutzeln. Kein harsches »Aufstehen! Mach hinne!« vermieste uns den beginnenden Tag. »Ausbutzeln«, das bedeutete, langsam in den Tag hineinzublinzeln, sanft wach werden zu dürfen. Sich zu strecken und dann die ersten Gedanken auf den neuen Tag zu richten. Nach zehn Minuten wurden wir freundlich noch mal geweckt, und dann war alles ganz einfach.
Leonore Pastewka, Glinde bei Hamburg