In der sowjetisch besetzten Zone gab es auf Lebensmittelkarten wie in allen anderen Besatzungszonen auch Abschnitte für Fett und Wurst. Aber die Zuteilungen waren mager, unregelmäßig und besonders im Hungerwinter eine Rarität. Aber wenn es Wurst gab, in den meisten Fällen handelte es sich um Dauerwurst, eine Art Plockwurst, war das für uns Kinder wie eine Feier.
Auf das abgeschnittene Brot wurde eine kleine Scheibe Wurst gelegt, ganz an den Anfang der Scheibe. Wir führten das Brot zum Mund, schoben mit den Lippen die Wurstscheibe ein Stück weiter, genossen den seltenen, würzigen Duft, bissen dann vom Brot ab, langsam und zögerlich, um so lange wie möglich im Wurstduft zu schwelgen, bis das Ende der Scheibe erreicht war. In die Wurst zu beißen, war dann der Kaiserbissen. Gab es Schiebewurst, war immer ein Festtag, deshalb gehört der Begriff bis heute zu meinem Wortschatz.
Bernd Januschke, Ratzeburg