In unserer Foto- und Erinnerungskiste gibt es viele Dokumente aus dem Ersten Weltkrieg: Briefe, die mein Vater an seine Verlobte (später: meine Mutter) geschrieben hat, außerdem Ansichtskarten, ab Ende 1914 ganz aktuell auch mit Kriegsruinen: Lyck, Bialla, Mühlen, Petrikatschen, Stallupönen, Wartenburg, Allenstein. Ganz eigener Art aber ist diese »Postkarte«, für die er auf der Fahrt von seinem Heimatort Bochum zu seinem Gestellungsort Lötzen beim Umsteigen in Berlin in der Eile und in Ermangelung von Schreibpapier seinen steifen Stehkragen durchschnitten hat. Als Kind war ich von dieser Absonderlichkeit fasziniert, erst später hat mich ihre Symbolhaftigkeit berührt. Der Postbote, der zunächst »St(rafporto) 20 (Pfennig)« notiert, sich dann aber korrigiert hat, war offenbar noch nicht auf Feldpost eingestellt.
Marianne Muthmann-Friemann, Bochum