Weihnachten 1940: Mein Großvater schickt von der Front (vermutlich aus Russland) ein besonderes Paket an seine Familie daheim in Hessen: Schinken, Eier und andere Köstlichkeiten für seine Frau und seinen Sohn. Für sie war es ein himmlisches Weihnachtsgeschenk, von dem sie noch Jahrzehnte später beglückt erzählten. Der Großvater hatte eine Munitionskiste aus Holz benutzt und sie als »Krankeneigentum« deklariert. Als Postbeamter wusste er, dass der Zoll diese Pakete ungeöffnet ließ. Er überlebte Krieg und Gefangenschaft und konnte zu seiner Familie heimkehren. Die Weihnachtsgabenkiste aber wurde seitdem als Erinnerung an die schreckliche Kriegszeit aufbewahrt. Als Jugendlicher packte mein Vater seinen wertvollsten Besitz hinein: Krippenfiguren aus Ton.
Wenn die Weihnachtszeit an Mariä Lichtmess zu Ende geht, werde ich gemeinsam mit meinen Kindern die alte Holzkiste vom Dachboden holen. Auf der Innenseite des Deckels sind das Herstellungsdatum (Mai 1940), der Munitionstyp (für Maschinengewehr) als auch das Herkunftsland (Polen) angegeben. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wer die Munition für die deutschen Besatzer gießen musste. Und so werden wir behutsam und im Bewusstsein großer Dankbarkeit, hier und jetzt leben zu dürfen, die nunmehr 80 Jahre alten Krippenfiguren einpacken in diese ehemalige Munitionskiste aus dem Zweiten Weltkrieg.
Saskia Hannig, Sauerlach