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Zeitsprung

 

1960

2011

1960, als Spanien noch eine Diktatur war und die wenigsten Straßen dort asphaltiert waren, kauften meine Eltern für wenig Geld an der Costa Blanca direkt am Meer einen schlichten Winkelbungalow. Das Haus hatte einem italienischen Architekten gehört, dem während der Bauphase das Geld ausgegangen war. Das merkte man an der teilweise schlechten Substanz, aber das Haus hatte Charme und eine wunderbare Lage. In den über 40 Jahren, die das Haus meinen Eltern gehörte, erlebte Spanien den Übergang zur Demokratie – und einen ungesunden Bauboom. Das Land wurde nach und nach bedeckt mit den immergleichen Häusern, deren Stil der Nordeuropäer für spanisch hält: Türmchen, Treppchen, Bögelchen. Unser Bungalow war total aus der Mode. Ich fand das Haus jedoch immer schön mit seinen schlichten Linien, mit seinen einfarbig pastellfarben getünchten, großzügig geschnittenen Räumen. Inzwischen waren Palmen, Eukalyptus und Pinien in die Höhe gewachsen, und es war einer der schönsten Plätze weit und breit. 2001 haben meine Eltern das Haus verkauft, die neuen Eigentümer haben es abgerissen und den Garten völlig entfernt. Dann wurde auf der 1500- Quadratmeter-Parzelle wieder ein Haus gebaut, jetzt ist der kubische Stil der klassischen Moderne plötzlich wieder en vogue. Welche Definition charmanter ist, sei dahingestellt. (Das Bild von 1960 hat mein Vater aufgenommen, das andere stammt aus Google Street View.)

Leonore Weissenburger, Fachbach, Rheinland-Pfalz