Es gab nicht viel, was mein Vater nicht erklären konnte, wenn man ihn fragte. Und doch erzählte er mit zu meinem 18. Geburtstag wunderbarerweise, es gäbe ein Wort, welches ihn schon als Kind beschäftigte, dessen Bedeutung ihm aber stets schleierhaft geblieben sei:
Das Wort handelt von etwas, das klanglich an eine der Todsünden erinnert und gleichzeitig das Allerhöchste anrührt, ich glaube, er ist bis heute noch nicht überzeugt von der Eindeutigkeit der etymologischen Zuordnung, die sich ihm als altem Nebenbei-Lateiner verstandesmäßig natürlich leicht hätte erschließen können.
Wären wir nicht seit zwölf Jahren ohne Verbindung, würde ich vielleicht nicht immer wieder an diese schöne und tiefe und so lebendige Doppeldeutigkeit in unserem Verständnis dieses Wortes denken. Ich gestehe: Ich tue es genüsslich, weil sich in Sehnsucht manchmal gut leben lässt, vermeintlich leichter… Gebenedeit ist das Wort, das ihn so beschäftigte. Ihn, der als zehnjähriges Flüchtlingskind aus Dresden mit seinen Eltern ins Südbadische kam. Ich stelle mir vor, wie der atheistisch erzogene Knabe in bergenden Wortwolken versank, „…und gebenedeit sei die Frucht Deines Leibes, Jesus…“, staunend und offen für alle Wunder der Welt und des Kosmos.
Ich bin seine einzige (die verlorene?) Tochter. Bin Künstlerin geworden und beschäftige mich in Malerei und Installationen mit dem Erfülltwerden von Wünschen und anderen existenziellen Fragen, Manier: punkiges, schneidendes, opulentes Barock.
Würde mein Vater kommen und sich meine Werke ansehen: Ich fühlte mich beinahe gesegnet.
Kerstin Schaefer, Stuttgart