Unter meinen Lieblingsworten ist es für mich das poetischste: Der Sankt-Nimmerleins-Tag. Wie man früher bestimmte Termine am Heiligenkalender ausrichtete (an Mariä Lichtmess etwa wurden auf dem Land Verträge mit dem Gesinde abgeschlossen oder verlängert, auch gab es kleine Geschenke, so für die Bauernmagd etwa ein Paar wollene Strümpfe, die vermutlich entsetzlich kratzten), so gab es für Abmachungen oder Vorhaben, an deren Verwirklichung erhebliche Zweifel bestanden, den Ausdruck, »etwas auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben«. Eine harte, womöglich schmerzliche Erkenntnis wurde in das sanfte Gewand eines Heiligen gekleidet, den es gar nicht gab. Die alten Römer waren da pragmatischer: Etwas auf den Sankt- Nimmerleins-Tag zu verschieben hieß bei ihnen »ad kalendas graecas«, weil der griechische Kalender die »Kalenden«, den ersten Tag jedes Monats, nicht kannte. Dass die armen Griechen schon ab urbem condita einen schlechten Ruf haben, wäre nur eine von verschiedenen Interpretationen, die heutige Zeitläufte nahelegen könnten. Wie dem auch sei, poetischer ist der Sankt-Nimmerleins-Tag allemal. Dass man den im Heiligenkalender vergeblich sucht, teilt er heute mit so manchem Heiligen, der vormals dort seinen Platz hatte.
Klaus Müller, Dortmund