Wegen dieses Fotos von 1927 war ich an einem Karfreitag, genau 80 Jahre später, zu Besuch bei einer alten Dame. Ich suchte die genaue Perspektive! Aus ihrem Wohnzimmerfenster habe ich die „Wiedenbrücker Kreuztracht“ neu fotografiert. Ein Freiwilliger trägt bei diesem religiösen Brauch das Kreuz über Kopfsteinpflaster und vorbei an Fachwerkfassaden. Auch acht Jahrzehnte später stürzt der Kreuzträger an fast derselben Stelle.
Genau betrachtet, erschließen sich mir aber auch Veränderungen: Früher waren die meisten Menschen im Bild Teil des Ereignisses. Heute bleibt die Mehrheit in der Rolle des Zuschauers. Ich habe versucht, in den Blick des früheren Fotografen einzutauchen.
Durch die Suche nach dem exakten Blickwinkel habe ich mehr über meine Heimatstadt erfahren. Und ich habe die alte Dame kennengelernt, die mich in ihr Wohnzimmer ließ.
Andreas Kirschner, Rheda-Wiedenbrück