Liebe ZEIT-Leserinnen und -Leser, haben Sie Lust auf ein wenig Original-Lyrik? Und auf ein wenig Frühling? Also:
»Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!«
So klingt das bei Eduard Mörike, dem schwäbischen Dichter-Pfarrer. Sein Gedicht »Er ist’s!« scheint bei den Parodisten unter Ihnen besonders beliebt zu sein – nur manches Rilke-Gedicht ist noch öfter Vorlage für Ihre Einsendungen. Was also spricht dagegen, jetzt, wo auch die Eisheiligen schon bald überstanden sind, gleich vier Umdichtungen dieses wunderbaren Frühlingsgedichts zu bringen? Eine Variation mit vier ganz verschiedenen Themen sozusagen …
Wolfgang Lechner
(Nach Eduard Mörike, »Er ist’s!«)
Frühling lässt das Meterband
wieder flattern um die Hüfte;
Fette, prall geformte Wülste
Greift die ahnungsvolle Hand.
Hosen spannen schon,
Aßest wieder Tonnen.
So, das hast du Dickmops nun davon!
Fettsack, ja du frisst!
Du hast zugenommen!
Iris Braig, Karlsruhe
Frühling lässt die lauten Bands
Wieder lärmen durch die Lüfte;
Grillwursts wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Fans, die träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein harter Schlagzeugton!
Open-Air, du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
Wolfgang Tzschaschel, Gernsbach, Baden-Württemberg
Aus der Nordsee tiefsten Tiefe
Steigen Gase in die Lüfte;
Gift’ge, unheilvolle Düfte
Wabern dräuend bis ans Land.
Total und Shell, die wussten’s schon:
Löcher kann man schwerlich stopfen.
– Horch, ein stetes höllisch’ Brodeln!
Mammon, ja, du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
Elke Loubier, Marne, Schleswig-Holstein
Der Frühling,
dieser Blaubandflatterluftikus
und Duftikuslandstreifer,
wurde vernommen.
Gestanden
hat er
nichts.
Manfred Jobst, Marburg