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Lustwandeln: Mein Wort-Schatz

 

Berlin, Sommer. Ich gehe mit meinem Freund durch den Charlottenburger Schlosspark. Mein Freund kommt aus Wales, er spricht Englisch, Walisisch und Spanisch, aber kaum Deutsch, sodass ich die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe, ihm unsere Sprache beizubringen. Jeden Tag sprechen wir eine halbe Stunde einfachstes Deutsch. Wir nennen es unsere Sesamstraßen-Konversation.

Wir gehen also durch den Park. Es ist sonnig, die Blumen leuchten in allen Farben, und ich fühle mich wie Königin Sophie Charlotte, die durch ihren Garten schlendert. Da kommt mir das Wort in den Sinn, das genau die Aktivität des Gehens um des Vergnügens willen beschreibt: lustwandeln. Und da dieses Wort so schön klingt, lasse ich – wie es sich für eine ordentliche Deutschstunde gehört – meinen Freund das Wort durchkonjugieren: »Ich lustwandle, du lustwandelst, er, sie, es lustwandelt …« Natürlich erkläre ich ihm, dass man heute eher »spazieren gehen« sagt. Nicht, dass er einem Freund später erzählt: »Wir sind ein bisschen gelustwandelt.« Aber es ist schön, ab und zu die Oberfläche des Sesamstraßen-Deutsch zu verlassen, um die Tiefen der deutschen Sprache auszuloten!

Julia Sigge, Flensburg