Diese Kiefer hält sich tapfer im Dünengürtel vor unserem Ferienhaus nahe Amsterdam. Der salzige Nordseewind setzt ihr schwer zu, weshalb seit elf Jahren stets ihr unser erster Gang ans Meer gilt. Und siehe da, bei unserer Ankunft vorgestern hatte sie nichts von ihrer biegsamen Ausdauer verloren.
Längs der Garage standen einst zwei Bäume, die herrliche Schattenmorellen trugen. Als sie alt und morsch wurden, mussten sie leider gefällt werden. Im nächsten Frühjahr entdeckte ich in der Nähe einen Schößling. Ich markierte die Stelle um ihn herum, damit ihn ja niemand ummähte oder darüber stolperte. Es dauerte ein paar Jahre, bis die Gefahr vorüber und er für alle deutlich sichtbar war. Heute, nach 20 Jahren, ist er doppelt so hoch wie seine »Stammbäume«: Man kann in seinem Schatten sitzen, träumen oder Kirschen naschen.
Was für Kräfte müssen da gewirkt haben? Ein zunächst kleines Baumpflänzchen hat sich beharrlich seinen Lebensraum geschaffen und dabei im Wachstumsverlauf einen riesigen eiszeitlichen Granitbrocken gespalten. Gefunden habe ich dieses Naturwunder abseits der großen Wege auf einer Korsikareise.
Ich lebe in Stuttgart in der Nähe des Eichenhains. Jahrhundertelang diente er als Viehweide für Schweine, Schafe und Fohlen, bevor er in den fünfziger Jahren zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Es gibt dort etwa 200 Baumriesen, die ältesten von ihnen sind über 300 Jahre alt. Diese Eiche hier habe ich besonders ins Herz geschlossen. In ihrem Schatten musste ich als Waldheimkind in den Ferien Mittagsschlaf halten. Nun gut, schlafen mussten wir nicht, aber wir durften nicht sprechen, und das Rauschen der Blätter im Sommerwind wirkte sehr beruhigend. Die Eiche war auch der Lieblingsbaum meiner Mutter. Nun ist meine Mutter lange verstorben, aber wenn ich vorbeigehe, halte ich inne und denke an sie.
Meine Eltern haben auf ihrer Hochzeitsreise ins Kleine Walsertal eine winzige Lärche ausgegraben und in ihren Garten gepflanzt. Sie gedieh dort prächtig. Ich liebte sie wegen ihrer samtweichen Nadeln, die man streicheln konnte. Als ich 13 Jahre alt war, verliebte sich meine Mutter in einen anderen Mann, und meine Eltern ließen sich scheiden – 1951 eine wahre Katastrophe. In dem Jahr verlor die Lärche ihre Nadeln schon im Sommer. Sie starb. Es gab den Verdacht, mein Vater hätte sie vergiftet, um das Symbol dieser Ehe zu zerstören. Ich denke heute noch, dass die Lärche getrauert hat wie ich.
Den alten und vor allem gewaltig großen Baum im Park von Muckross House im irischen Killarney, den Julia Walther in der Ausgabe vom 28. Mai 2015 so wunderschön gezeichnet hat, zählen auch wir zu unseren Freunden – wie man auf diesem Foto sehen kann.
Jürgen Rohdenburg, Bad Zwischenahn, Niedersachsen
Diese moosbewachsene, sich himmelwärts reckende Linde sowie frei herumstreifende europäische Bisons und andere Zeugnisse biologischer Vielfalt, wie sie in Europa sonst kaum noch zu finden ist – und nicht zuletzt reichlich Stille –, fanden wir im Urwald von Białowieża an der polnisch-weißrussischen Grenze.
Ich schicke Ihnen einen meiner ganz persönlichen Baumfreunde – beziehungsweise sein Porträt. Das Modell dafür steht (und das zum Glück auch noch nach den heftigen Stürmen dieses Frühjahrs) im Park von Muckross House, Killarney, Irland. Als Zeichnerin reizt mich besonders die Nahsicht auf Naturdetails, die dem, der sich die Zeit nimmt zu verweilen, ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.
Welch winziges Pflänzchen hatte denn da in unserem Gewächshaus Wurzeln geschlagen? Schmale Blätter – vielleicht ein Pfirsichbäumchen? Wir konnten nur abwarten. Im Laufe der Zeit hat sich ein kräftiger Nektarinenbaum entwickelt, der Jahr für Jahr köstliche Früchte trägt. Wir haben ihn nicht gepflanzt, haben nur gehofft. Er muss wohl als Stein einer von uns verzehrten Frucht vom Komposthaufen ins Gewächshaus gelangt sein, hat sich verwandelt und hat sich uns einfach geschenkt.
Auf dem alten Göttinger Stadtfriedhof steht diese Zierkirschen-Allee, die zu einem Brunnen führt. Das steinerne Denkmal in seiner Mitte zeigt die drei Nornen (Schicksalsfrauen), die den Lebensfaden in Händen halten und schließlich abschneiden. Im Frühling erblüht diese Allee jedes Jahr aufs Neue und setzt damit zu dem grauen Denkmal einen farbigen Kontrapunkt, der erwachendes Leben und damit Hoffnung symbolisiert.