Nach drei Stunden Warten bewegt sich der Bus endlich vom Fleck. Zwei Minuten später allerdings stirbt der Motor ab. Der Fahrer öffnet die Klappe im Boden neben seinem Sitz und guckt verzweifelt ins Getriebe. Schließlich steigen alle in einen anderen Bus, der eilig aus dem Depot herbeigebracht worden ist. Ein zerfleddertes Ding! Die Verkleidung klafft mir offen entgegen. Bei jedem Schlagloch und jeder Bewegung meines Vordersitznachbarn scheppert und knirscht der angeknackste Boden und biegt sich unter meinen Füßen nach oben. Der Fahrer rast wie ein Besessener. Ich habe böse Visionen: sich überschlagen, umkippen, mit der ganzen Kiste durch die Luft fliegen. Wenn der Fahrer die Kontrolle verliert, hab ich keine Chance. Keinen Gurt, keine Knautschzone, gar nichts. Gebrochenes Genick. Amputierte Beine… Meine Obduktion würde zutage fördern, dass ein schinkengefülltes Blätterteigteil (ein seltener Luxus aus der Boulangerie) meine letzte Mahlzeit war.
Plötzlich eine Polizeikontrolle. Der Fahrer muss aussteigen. Wir warten, schauen uns fragend an, dann begreifen wir das Unglaubliche: Dieser Fahrer ist betrunken! Ich mochte es auch nicht, dass er sich dauernd umdrehte und mit den Leuten auf den Sitzen hinter ihm quatschte oder aus dem Seitenfenster guckte statt nach vorn. Ich denke daran, was in Europa mit ihm geschehen würde. Aber ich bin in Kamerun. So weisen die Polizisten ihn an, eine Strecke zu rennen, um Alkohol abzubauen. Er trabt langsam dahin. Alle glotzen grinsend. Dann steigt er wieder ein und rast weiter. Und nach zwölfeinhalb Stunden sind wir endlich am Ziel – 400 Kilometer weit gefahren.
Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.