Einen Stadt- oder Ortsteil, in dem viele ungewöhnliche oder gar zwielichtige Gestalten wohnten, bezeichnete man in meiner Jugend als Nachtjackenviertel.
Wenn mein Vater zum Tanzen ging, und die Musik war nicht zu seiner Zufriedenheit, dann pflegte er zu sagen: »Die Kapelle hat wieder wie ein Zickendraht gespielt.« Der Ausdruck muss aus den dreißiger oder vierziger Jahren stammen. Ich weiß nicht, wie er zustande kam, aber vielleicht fällt ja einem der Leser mehr dazu ein?
Eine Erinnerung an meine Kindheit Mitte der sechziger, Anfang der siebziger Jahre: Wenn meine Mutter uns erlaubte, an einem heißen Sommertag in die Badeanstalt zu fahren, bedeutete das Glück. Wenngleich das Wort für sich genommen nach Strenge, Langeweile und Moral klingt, ich verband damit pures Vergnügen, Planschen und Pommes. Heute heißt die Badeanstalt meiner Kindheit »Aqua Fun«.
»In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken.« Wer diesen Satz liest, denkt sofort an sein POESIEALBUM. Und für alle Leser unter dreißig: Ein Poesiealbum ist ein Buch mit leeren Seiten, das an Freunde, Verwandte, Lehrer und Mitschüler verliehen wird, damit diese dort je eine Doppelseite gestalten. Geschrieben, nicht getippt, gemalt, nicht runtergeladen, alles analog und im Namen der Poesie. Ich stelle mir vor: Ich komme morgens zur Arbeit, und eine Kollegin (oder ein Kollege) reicht mir ein Buch mit den Worten: »Willst du in mein Poesiealbum schreiben?« Ich wäre begeistert! Ich würde sofort alle verstaubten Lyrikbände aus dem Regal zerren. Spät in der Nacht dann ein Gedicht aussuchen oder einen prägnanten Satz aus dem unermesslichen Schatz der Poesie… Ich werde mir wieder ein Poesiealbum anschaffen!
1970 kam ich zum Studium nach Kiel und suchte ein Zimmer. Die Vermieterin, eine alte Witwe, begutachtete mich von oben bis unten und fragte mit den Worten »Sie sind noch nicht Majorenn!« nach meinen Eltern. Ich erhielt das Zimmer, packte meine Bücher aus und schaute erst einmal in den Fremdwörter-Duden: »Majorenn« war ein (damals schon) veralteter Begriff für »volljährig, mündig«. Tatsächlich war ich trotz meiner 20 im Sinne des Gesetzes noch nicht erwachsen: Erst 1975 wurde die Grenze zur Volljährigkeit auf 18 abgesenkt.
Als Kinder fanden wir die Wohnung unserer Oma geheimnisvoll und gingen gern durch ihre Räume. Sie pflegte dann scherzhaft zu sagen: »Was buschiert ihr denn hier rum?« Als ich zuletzt frühmorgens in mein Büro kam und dort einen Kollegen antraf, fiel mir das Wort wieder ein: »Was buschiert denn der hier rum?« (Laut Duden ist »buschieren« ein Begriff aus der Jagd.)
Beim Betrachten eines Fotos sehe ich jemanden, den ich nicht verknusen kann. Dabei fällt mir auf, dass ich den Dialekt in meiner neuen Heimat auch nicht besonders mag…
Ein Ausdruck, der mir heute Morgen in den Kopf kommt und der auch gut zur Sommerhitze passt: Ich fühle mich ziemlich dösbaddelig heute. Da klingt das Langsame, etwas Benommene, geistig nicht voll auf der Höhe Stehende doch wunderbar mit!
Im Sommer kann man meist wunderbar im Bodensee baden. Die angenehme Wassertemperatur und eine spiegelglatte Oberfläche machen auch längere Ausflüge ins Wasser möglich. Geübte Schwimmer gehen dann Bojen jagen, indem sie die Bojen an der Schifffahrtsgrenze abschwimmen. Manchmal gibt es aber auch Wellen. Am gefürchtetsten sind dann die Goschenwellen: Halbhoch und kurzwellig füllen sie jedem, der gegen sie anschwimmt, die »Gosch« (den Mund) mit Bodenseewasser. Manch einer geht dann erst gar nicht baden, sondern gönnt sich stattdessen ein Glöndereis, welches am Ufergeländer stehend oder auf selbigem sitzend geschleckt wird. Dabei kann man auf den See hinausschauen oder ganz ungeniert die vorbeiflanierenden anderen Nicht-Bader betrachten. So ist der Sommer am See: einfach schön!
Alles »cool«? Der wohl mächtigste aller Anglizismen hat ein viel zu selten verwendetes deutsches Pendant: Lässig! Lässig, das heißt zulassen, leben lassen und einfach mal liegen lassen – Optimismus in Reinform eben. So mancher beneidet den Gelassenen, für andere wiederum ist das Lassen einfach nicht zu fassen. Tief im Innern aber wissen wir alle, dass Lässigkeit der erste Schritt zum Glück ist. Also: Lassen wir heute eine lästige Pflicht einfach mal sein! Lässt sich besser leben so.