Im Gespräch mit einer Schulfreundin – wir sind beide über 80 Jahre alt – finden sich immer wieder Wörter, die heute kaum noch jemand benutzt. Das heißt aber nicht, dass wir unmoderne Großmütter sind, die der Entwicklung einer lebendigen Sprache ablehnend gegenüberstehen. Wir nehmen durchaus am Leben unserer Enkelkinder teil, auch wenn sie sich anders ausdrücken. In einem Gespräch mit meiner Enkelin sagte ich neulich: »Das finde ich nur recht und billig.« Ihre erstaunte Frage »Wieso billig?« brachte mich dann allerdings doch in Erklärungsnotstand.
Wenn mir meine Freundin am Ende ihres Briefes schreibt: »Bleibe mir gewogen«, dann fühle ich mich wichtig genommen, dann ist gewogen, gewichtig, wichtig, nicht nur ein Wortspiel.
Luise Beyerlein, Neustadt an der Aisch, Mittelfranken
Dieses wunderbar altmodische Wort begegnete mir in einer Schrift über das kürzlich eingeweihte Bürgerhaus zum Löwen in Markt Erlbach: Hochherzig. Eine hochherzige Stiftung ist mehr als eine großzügige. Das Herz ist beteiligt, ein Herz, das über den Dingen steht. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm habe ich folgende Definition gefunden: »1. Hohen, stolzen Herzens, nach hoher Ehre trachtend, 2. Hohen, edlen Herzens.«
Wenn jemand keinen »Biss« hatte, keine »Energie«, keinen »Schwung« oder kein »Temperament«, sagte meine vom Niederrhein gebürtige Großmutter nur: »Der hat kein Kawuppdich.« Das hörte sich schön an, und außerdem war alles an Aussage drin: Man sah den Gemeinten, völlig schlaff, saft- und kraftlos, förmlich im Sessel versinken.
Mein Großvater hat in seinen Urlauben die täglichen Unternehmungen und Wanderungen in einem kleinen Heft mit einer wunderschönen Schrift festgehalten. Alle Seiten hat er nummeriert, und am Anfang gibt es eine genaue Inhaltsangabe. Bei einer Tour steht über den Anblick eines Gipfels, den er nicht zum ersten Mal sah: ewig schön. Diese Worte haben mich sehr berührt. Wie recht er hat!
Neulich im Baumarkt. Zwischen all den Lochplattenwinkeln, Aushebescharnieren, Federklappdübeln und anderen Eisenwaren, die Aussehen, Funktionsweise und Bestimmung im Namen tragen, traf ich auf Kloben, Kausche und Schäkel. Nie gehörte, nie geahnte Wörter, Ur-raunen zünftiger Werkleute. Ich warte auf die nächste Gelegenheit: Gib mir mal den Schäkel rüber!
Tausendsassa habe ich in letzter Zeit kaum noch gehört. Darunter verstand man umgangssprachlich einen Schwerenöter, einen Teufelskerl. Oder auch einen leicht sinnigen Menschen, ebenso wie einen Alleskönner und Mordskerl. Für mich ist es ein Mensch mit vielen Begabungen. Und dieser Mensch kann männlich oder weiblich sein. Ich finde, der Klang des Wortes »Tausendsassa« drückt schon die Kraft dieses Menschen aus.
»Komm her, alter Haudegen!« So forderte mich kleinen Knirps mein Opa in den frühen fünfzigerer Jahren immer zu unseren Ring- und Kitzelkämpfen auf. Dabei war er selbst einer, fast 90 Jahre alt, mit wucherndem Vollbart und einem Ohrring aus Flussgold wie ein Pirat. Wie aus einer ursprünglichen Hiebwaffe die Bezeichnung für einen mutigen erfahrenen Kämpfer geworden war, darüber machte er sich wahrscheinlich keine Gedanken.
Mein wunderbares Wort heißt zutraulich. In seiner Sanftmut und Unschuld wird es wohl hauptsächlich für Kinder oder Tiere verwendet. Welche Ehre, wenn einem Vertrauen geschenkt wird – in der Hoffnung, nicht enttäuscht, sondern geliebt zu werden. Dieses Wort berührt mein Inneres.
Dass Hühner, Enten, insbesondere Weihnachtsgänse einen Bürzel haben, ist bekannt. Meine Tochter besteht darauf, auch diesen zu servieren, da er eine Leckerei sei. Na ja. Nun ist hier im Schwabenland die Endung -el das Kennzeichen für etwas Kleines. Womit wir beim Burz wären, etwas Größerem, welches jedoch in keinem Lexikon steht. Was hat man sich darunter vorzustellen? Etwas vom Nashorn, womöglich vom Elefanten? Oder nur etwas vom Strauß oder Emu? Dass es was vom Hinterteil sein muss, ist klar. Gleichermaßen begeistert mich der Knod (nur als Wort!), vom Knödel abgeleitet: Von einem bayerischen Semmelknödel schaffe ich kaum einen ganzen, mit einem Knod bringe ich meine Feinde zur Verzweiflung. Valentins Frage nach der Anzahl der Semmeln für einen Knod hat eine klare Antwort: viele. Zum Glück hat sich in der Gastronomie durchgesetzt, nur noch Knödel, keinen ganzen Knod als Sättigungsbeilage zu servieren.