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Paradekissen: Mein Wort-Schatz

In der Zeit unserer Großmütter gab es auf den Betten noch das sogenannte Paradekissen. Dieses war nur zur Zierde und nicht zum Gebrauch vorgesehen. Der Schönheit wegen wurde die Mitte des Kissens mit der Hand geteilt. Diesen Vorgang nannte man das Ärschle machen. Mit dem Verschwinden des Kissens ist leider auch dessen korrekte Behandlung in Vergessenheit geraten.

Paul Hay, Waldbronn, Baden-Württemberg

 

Laufmaschenreparaturannahmestelle: Mein Wort-Schatz

Ich sammle seit vielen Jahren Begriffe – alte, neue, ärgerliche, bildhafte … – und habe schon Etliches beisammen. Vor ein paar Wochen fiel mir beim Gang durch das Städtchen Altenahr ein leider demolierter Strumpfautomat an einer Hauswand auf (Einwurf 3 x 1,–). Gleich kam die Erinnerung an die »Damenstrumpf-Revolution« Anfang der sechziger Jahre hoch. Vorher waren »Nylons« so teuer, dass kaputte Strümpfe sofort zu einer Laufmaschenreparaturannahmestelle gebracht wurden. Tempi passati!

Rolf Reinert, Bornheim, Nordrhein-Westfalen

 

Habseligkeiten: Mein Wort-Schatz

Habseligkeiten: Aus jeder Lebensphase bleibt etwas. Oft sieht es auf den ersten Blick belanglos aus – ohne Wert. Beim späteren Betrachten aber erwachen Erinnerungen mannigfaltiger, als Fotos und Filme sie auslösen können. Ich habe ein Schränkchen, eigens um diese Habseligkeiten aufzubewahren. Und vor einiger Zeit löcherte mich meine 13-jährige Tochter Anna mit Fragen zu all diesen Dingen. Wir kamen zu Gesprächen, die wir so noch nie hatten.

Brigitte Steinhoff, Geuensee, Schweiz

 

Sammelsurium: Mein Wort-Schatz

Bei einem Sammelsurium habe ich geordnet Ungeordnetes vor Augen, Schätze, materiell von eher geringem Wert. Die Kombination reizt. Der erste Teil des Wortes (Sammel…) mit seinem Doppelkonsonanten klingt überaus geordnet und klischeehaft deutsch. Der zweite Teil (…surium) hat morgenländisches Flair, klingt nach »Simsalabim« – und wird dadurch zauberhaft und wertvoll.

Siegfried Schröder, Herscheid, Nordrhein-Westfalen

 

Kuddelmuddel: Mein Wort-Schatz

Jedes kleinste Durcheinander ist heute gleich ein »Chaos« oder gar ein »absolutes Chaos«. Wie viel schöner ist da doch das Wort Kuddelmuddel für die kleinen Wirrnisse des Alltags! Es klingt nach einer leichter behebbaren, harmloseren und kleinräumigeren Unordnung als das bedrohliche »Chaos«. Das Wort »Chaos« hat nur einen Vorteil: Es lässt sich ohne Probleme zum Adjektiv machen (»chaotisch«). Selten hat man noch von »kuddelmuddeligen Zuständen« gehört.

Yvonne Treis, Paris

 

Strukturplan: Mein Wort-Schatz

Eines meiner liebsten Wörter ist und bleibt Strukturplan. Ich liebe es sehr, weil es alles verkörpert, was ich nicht kann und schon gar nicht will. Vielleicht bin ich noch nicht »erwachsen« genug, um mein Leben zu strukturieren. Es kommt sowieso immer alles anders, selbst wenn im Terminkalender ein kompletter Plan vorgesehen war. Meine Mutter wirft mit dem Wort »Strukturplan« ständig um sich und organisiert vor sich hin, während sie durch das Leben spurtet, als gäbe es kein Morgen. Sie hat sogar einen Strukturplan für die Berliner Bahnhofsmission, auch wenn dieser nur die Effizienz der Brötchenschmierer beinhaltet. Meine Mutter mag den Strukturplan, ich mag meine Mutter und deshalb auch das klangvolle Wort.

Aline Gallas, Trondheim, Norwegen

 

Ach, du liebe Güte: Mein Wort-Schatz

Schon lange habe ich nicht mehr »Ach, du liebe Güte!« gehört. Ob es daran liegt, dass die Güte an sich eine eher unpopuläre Eigenschaft geworden ist?

Wie herrlich nostalgisch hört es sich an, wenn die Köchin beim An- blick des überkochenden Topfes ausruft: »Ach, du liebe Güte!« Oder der unerwartete Besuch vor der Tür steht und die tüchtige Hausfrau gerade beim Stöbern überrascht wird: »Ach, du liebe Güte!« Die Frage ist auch: Wenden sie sich an die Güte direkt, um ein »gütiges« Einwirken einer immateriellen Kraft zu erlangen, oder machen sie nur ihrem Erschrecken Luft? Und überhaupt: Wie wirkt der Ausruf? Wer hört ihn? Wer hilft? Fragen über Fragen.

Auf jeden Fall wirkt das Anrufen der Güte immer beruhigend: Die Güte ist groß und großherzig. Wie wohltuend, zu wissen, dass es mehr gibt als Schrecken und Verunsiche- rung, nämlich die »liebe Güte«!

Beatrix Strobl, Eurasburg, Oberbayern

 

Bregenklöterig: Mein Wort-Schatz

Es ist eigentlich ein Wort aus dem Niederdeutschen: bregenklöterig. Das bedeutet so viel wie »etwas durcheinander« oder »verwirrt«, manchmal auch schlichtweg »blöd«. Meine Frau, die in Mittelfranken aufgewachsen ist, hat große Schwierigkeiten, bei der Aussprache des Wortes das r richtig zu rollen, und zwar mit der Zunge am vorderen Gaumen oben. Dann und wann kann ich meine Frau mit diesem Wort etwas reizen, denn sie hat es bisher nicht fertiggebracht, es mit dem richtig gerollten r über ihre Lippen zu bringen. Allerdings werde ich dann meinerseits gefordert, bestimmte Wörter in der fränkischen Mundart zu artikulieren, was mir auch nur teilweise oder gar nicht gelingt. Immerhin: »Bregenklöterig« hat sich in unserer Alltagssprache eingebürgert.

Helmut P. Hagge, Hamburg

 

Futschikato: Mein Wort-Schatz

Ist etwas futschikato, ist es nicht so profan kaputt, nicht so hart zerstört, nicht so endgültig beschädigt und nicht so technisch defekt. Ein kindliches Schulterzucken liegt in dem Wort, über etwas, was nicht mehr ist und sich nicht ändern lässt. Ein bisschen Leichtigkeit im Augenblick des Verlustes. »Futschikato« tut gut!

Birte Surborg, Hamburg