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Was mein Leben reicher macht

Meine Frau hat sich den Arm gebrochen; beim Essen rutscht etwas von der Gabel und landet auf dem Boden. Unser spätpubertierender Sohn bemerkt süffisant: »Solange du so isst, gehe ich mit dir nicht ins Restaurant!« Er zitiert eine Redewendung aus der Zeit, als wir versuchten, ihm Manieren beizubringen. Wir lachen uns schief.

Reinhard Winter, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich, 62 Jahre, war viele Monate krank. Von meinem alten Arbeitgeber aufgegeben, habe ich nun eine neue Aufgabe gefunden. Seit Oktober darf ich wieder arbeiten. Der neue Chef ist 74 Jahre jung.

M. E., Altomünster

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Mutter ist gestorben. Im Garten möchte ich zur Ruhe kommen. Mein fünf-jähriger Enkel kommt mir nach, stellt sich auf den Gartentisch, schaut mich an und meint: »Opa, jetzt bist du traurig, weil du keine Mama mehr hast – aber du hast ja noch mich.« Liebevoll umschließt er mich mit seinen kleinen Armen.

Reiner Zeeb, Reutlingen

 

Was mein Leben reicher macht

Als ich mit 34 Jahren das dritte Kind erwartete, riet die Ärztin zu einer Fruchtwasseruntersuchung. Wir lehnten ab. Auf den Bluttest aber ließ ich mich ein und bekam eine Woche später die Mitteilung, dass unser Baby einen schweren Herzfehler hätte. Abtreibung? Glaube und Bauchgefühl sprachen dagegen. Es stellte sich heraus, dass sich das Labor verrechnet hatte. Gerade ist unser – kerngesundes – drittes Kind 18 Jahre alt geworden.

Vera Landua, Frankfurt am Main

 

Was mein Leben reicher macht

Ich besuche meine Frau in der Kur, und wir laufen am Abend durch das einsame und kalte Städtchen. Wir küssen uns. Eine ältere Frau kommt vorbei und ruft: »Ach ist das schön, machen Sie das noch einmal!«

René Lindenberg, Erfurt

 

Was mein Leben reicher macht

Vertretungsstunde in einer dritten Klasse nach den Ferien. Jemand hat »Ich liebe die Schule« an die Tafel geschrieben. Mein Lehrerinnenherz hüpft.

Eva Pitsch-Schweikert, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Wenige Tage vor meinem 35. Geburtstag bin ich zu einem Seminar in Hamburg. Ich übernachte bei meinen Eltern, um am Morgen um 7.30 Uhr die Regionalbahn zu nehmen. Leise schleiche ich mich am elterlichen Schlafzimmer vorbei ins Bad und dann hinunter in die Küche; da steht mein Vater im Schlafanzug und hält mir eine Tüte mit Schwarzbrotstullen entgegen. Im Zug beiße ich hinein und komme mir wieder vor wie ein Schulkind!

Henrike Gosemann, München