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Was mein Leben reicher macht

Dauerregen, Wind und Uni-Stress. Auf dem Weg zu einem Termin wenigstens noch einen Becher heißen Tee holen! Der Afrikaner hinter der Theke hebt den Kopf. Ich grinse ihn unter meiner nassen Kapuze an. »Einen Tee, bitte!«, sage ich und mache eine Bemerkung über das schreckliche Wetter. »Zucker?« – Ja, bitte!« – »Wie viel?« – »Ein Stück!« Da sagt der Mann: »Du brauchst keinen Zucker, du bist süß genug!«

Daria Einbacher, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

»Ach, ich tanze ja so gern! Gelernt habe ich das nie, aber wenn mich jemand so gut führt wie das junge Mädchen, geht es wunderbar. Dann fühle ich mich leicht, frei und beschwingt und sage zu ihr: ›Wenn Sie mir versprechen, mich wieder aufzufangen, dann können Sie mich auch mal in die Luft werfen!‹ « Lotti ist 99 Jahre alt und berichtet über ihr größtes Vergnügen im Seniorenheim.

Monica Uhlich, Baindt, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Kurz vor Weihnachten, lange geplante Reise zu meiner Schwester in Wien, ich bin wie fast immer knapp dran. Der Zug fährt mir vor der Nase weg! Ratlos stehe ich am Bahnsteig. »Hier hält kein Zug mehr, der Ihren Anschlusszug erreicht«, sagt der Bahnwärter. Er telefoniert. Telefoniert nochmals. »…Sturm …Wetter … chaotische Straßenverhältnisse…«, höre ich ihn sagen. Gleich darauf hält ein ganzer Zug für mich allein. Mit ihm erreiche ich meine Anschlusszüge. Danke!

Linda D’Accurso, Aulendorf, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Das Leben kann so einfach sein. Während ich mit meinem 14-jährigen Sohn im Auto auf dem Heimweg bin, zählt er alle Dinge auf, die er noch zu erledigen hat. »Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen, Akkordeon üben. Und wenn wir die nächste Kreuzung überquert haben, habe ich alles wieder vergessen.« Die Ampel springt auf Grün, und wir fahren los. Zwei Sekunden später schaut er mich an, lächelt verschmitzt und sagt: »Siehste?«

Hilke Meier, Bünde

 

Was mein Leben reicher macht

Am Geburtstag einen bunt frankierten Brief aus Uganda öffnen – von unserer Tochter, die dort einen Freiwilligendienst leistet. Eine gelungene Überraschung in Zeiten von E-Mail- und Facebook. Und das Strahlen in den Augen der beiden Schwestern, die den Brief eine Woche versteckt haben, weil er zu früh im Briefkasten war!

Sigrid Heuer, Vallendar

 

Was mein Leben reicher macht

Wie jeden Freitagmorgen in meinem Stammcafé mit Internet den Laptop hochgefahren, um den Verwaltungskram der Woche bei einer Tasse Kaffee zu erledigen. Der Barista kennt mich inzwischen, diesmal hat er mir eine Latte mit Milchschaumherz gemacht. Musik im Hintergrund, ein paar andere Freelancer nicken herüber. Ich weiß, sie denken dasselbe: Wie gut, dass wir den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben!

Heike Aiello, Groningen, Niederlande

 

Was mein Leben reicher macht

Meine dreieinhalbjährige Tochter, die auf die Aufforderung, abends ins Bett zu gehen, das Wort Nein in fünf Silben zerlegen kann: »Na-ha-hai-i-n!«, um dann das ganze Programm durchzuziehen: Tränen, bibbernde Lippen und stammelnde Sätze. Zwei Minuten später der erste klare Satz: »Du darfst mir vorlesen.«

Lorenz Heimbrecht, Hildesheim

 

Was mein Leben reicher macht

Südtirol, Hotel, Frühstücksbuffet. Eine alte Dame stellt sich neben mich und sagt: »Bonjour, Madame!« Ich mit Müslischüsselchen in der Hand: »Oh, Sie sind Französin? Ich bin Deutsche. Guten Morgen!« Pause. Dann singt sie mit verklärtem Lächeln und brüchigem Stimmlein: »Röslaain, Röslaain, Röslaain rot, Röslaain auf där Aaidön …« Und drückt mir den Arm.

Ursula Baumung, Stutensee

 

Was mein Leben reicher macht

Nach getaner Arbeit am Schreibtisch, in Haus und Garten auf die Anhöhe vorm Haus gehen und im Angesicht der sinkenden Sonne der toten Geliebten gedenken. Nicht in Trauer aufgelöst, sondern erfüllt von der Erinnerung an ihre Schönheit und in beseelten Träumen, ihr wiederzubegegnen.

Horst Kühn, Lüchow