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Was mein Leben reicher macht

Schon als Kind hatte ich Probleme mit Reißverschlüssen. Das hat sich im Rentenalter nicht geändert. So stehe ich letztens in Friedrichshafen auf dem Bürgersteig und kämpfe mit meiner Jacke. Ein älterer Herr kommt mir entgegen, bleibt stehen und sagt: »Diese Reißverschlüsse klemmen aber auch immer!« Ganz selbstverständlich macht er mir die Jacke zu. Das war ein Gefühl wie damals als Kind, wenn Mama mir geholfen hat. Schön war das. Und vor allem so selbstverständlich. Der freundliche Herr ging einfach weiter.

Hedi Winter, Friedrichshafen

 

Was mein Leben reicher macht

WGs. Alte und neue, hier und dort. Spontane Jazz-Sessions in der Küche bei einem Glas Wein. Abendliches Vorlesen: jeden Abend ein Kapitel aus einem Buch. Jedes Mal in einem anderen Zimmer, sodass jeden Abend ein anderer dabei in seinem Bett einschlafen kann. Und natürlich die vielen Gespräche – alltägliche und nicht alltägliche. Inspirierend und horizonterweiternd. Wahlweise auch stundenlang.

Anna Schmitt, Würzburg

 

Was mein Leben reicher macht

Samstags, nach der Arbeit, wandere ich bei jedem Wetter die acht Kilometer in die Stadt, um meine Frau von ihrer Arbeit nach Hause zu fahren. Ich warte auf sie in einem Kaffeehaus. Die anderen Gäste staunen immer, wenn diese hübsche Frau reinkommt, direkt zu mir, und mir einen Kuss auf die Wange gibt.

Colin Russell, Ense-Bremen, Nordrhein-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Montagmorgen, noch vor sechs. Meine Frau umarmt mich mit dem ersten Donner eines Gewitters. Gemeinsam genießen wir die Wärme unter der Decke und hören den Regen prasseln. Bis der Wecker klingelt. Wunderbarer Wochenbeginn!

Michael Siemers, Dortmund

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Berliner S-Bahnhof. Die Eingangshalle ist menschenleer. Unschlüssig und ratlos sehe ich mich um: Den Abgang links oder rechts nehmen? Ein Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, steht plötzlich neben mir: »Kann ich Ihnen helfen?«

Werner Fuhrmann, Kaiserslautern

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einem anstrengenden Bürotag nach Hause zu kommen, eine Geschenktüte vorzufinden, die ein Tuch in meiner Lieblingsfarbe birgt. Auf der Tüte in der Schrift meiner 20-jährigen Tochter: »Einfach so, weil Du die Mami bist! Hab Dich lieb! Bussi!« Und schon sind Druck und Müdigkeit wie weggeblasen.

Franziska Messerschmidt, München

 

Was mein Leben reicher macht

Bei unserem letzten Besuch bei der englischen Verwandtschaft in London gingen meine Frau und ihre Schwester noch kurz in eine kleine Bäckerei, um einzukaufen. Ich wartete so lange vor dem Laden und sah mir das Treiben auf der Straße an. Jemand stellte sich neben mich, und noch einer, und noch einer … Bis ich merkte, dass sich eine kleine Schlange vor dem Bäckerladen gebildet hatte. Ist diese britische Disziplin nicht bewundernswert?

Wieland Rauh, Solingen

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Samstag im Herbst. Beim Joggen durch die Felder fand ich einen schlaffen Luftballon, daran ein durchnässtes Stück Papier. Sicher eine Botschaft, dachte ich, die Kinder losgeschickt haben. Ich wollte ihnen zu einem Erfolgserlebnis verhelfen und steckte den Zettel ein. Als ich ihn zu Hause vorsichtig auseinanderfaltete, kam ein mit Buntstiften gemaltes Bild zum Vorschein: zwei Blumen auf grünem Boden, dazwischen wohl ein Großvater, zu erkennen an seinem Schnurrbart. Über ihm zwei lila Wolken und am oberen Bildrand ein Streifen blauer Himmel, in dem kaum sichtbar »Opa« stand. In die Mitte des Blattes aber war mit kindlicher Schrift geschrieben: »Von Ann-Sophie. Für Opa. Ich vermisse dich.« Wie auch an jenem Samstag kommen mir beim Betrachten dieser lieben Botschaft die Tränen.

Dietmar Finger, Rödermark

 

Was mein Leben reicher macht

An der Kasse des Lebensmittelmarktes. Ein etwa Fünfjähriger: »Papa, darf ich den Wagen wegbringen?« Vater: »Ich bitte sogar darum.« Ein Lächeln für den ganzen Tag.
Joachim Schroeder, Wiesbaden