Singen, tanzen, lachen, hüpfen und mit nackten Füßen den eiskalten Wellen der Nordsee davonlaufen. Und dabei mit ausgebreiteten Armen vom Wind gestreichelt und von der Sonne gewärmt werden.
Ich muss zu einem Termin nach München und stehe am Duisburger Hauptbahnhof. Es ist Herbst, es regnet, es ist grau und nass. Ich trage meinen schwarzen Anzug, habe meinen Laptop dabei und mein Köfferchen. Der ganze Bahnsteig wimmelt von Anzug und Laptop tragenden Frauen und Männern mit kleinen Koffern. Ich mümmle an meinen Bonbons, die ich mir gerade gekauft habe. Neben mir steht ein junger Mann (dunkler Anzug, Laptoptasche, Köfferchen). Er beißt gerade mit einem Ausdruck spitzbübischer Entzückung im Gesicht in ein großes, fettiges Stück Salamipizza. Ich muss plötzlich lächeln und fühle mich ihm irgendwie verbunden. Ich bin in München angekommen. Gemeinsam mit all den Anzug und Laptop tragenden Frauen und Männern. Am Hauptbahnhof ist jeder für sich in ein Taxi gestiegen. Jetzt sitze ich im Hotelzimmer. Und muss immer noch lächeln.
Dass der Mann vom Grünflächenamt, der einmal im Jahr die schrömmeligen Brennnesseln an der Ecke zur Allee absenst, um mein kleines Guerilla-Blumenstück herum gemäht hat.
An einem herrlichen Spätsommersonntag sitze ich mit meiner Frau auf dem Marktplatz von Groß-Umstadt. Wir genießen die Gnocchi und Penne mit Blick auf das in der Sonne strahlende Renaissance-Rathaus mit seinen reich geschmückten Giebeln und seinem Prunkportal. Rundum sind wir von schön renovierten Fachwerkhäusern umgeben, die Ruhe und Beständigkeit ausstrahlen. Zwei Stunden lang entdeckten wir bei einer Führung in der Altstadt Schlösser und Adelshöfe und bekamen deren Jahrhunderte alte Geschichte erläutert. Es ist schön, dass es in vielen Orten solche eindrucksvollen Zeugnisse unserer Geschichte gibt. Noch 9 Monate bis zur Rente…
Ich arbeite in einer Ganztagsschule ein paar Stunden die Woche als „Honorarkraft“, betreue Dritt- und Viertklässler mit Vorlesen, Zeichnen und Über-Gott-und-die-Welt-Reden. Die Kinder nennen mich „Oma Lulu“ , so wie meine Enkel zu Hause, von denen ich erzählt habe. Letzten Montag zog mich ein kleines Mädchen zu sich an den Tisch und fragte leise: „Weißt du, was ich mache, wenn ich traurig bin, Oma Lulu?“ Gespannt setzte ich mich zu ihr. „Ich denk an dich, und dann geht es mir gleich wieder gut.“ Ein schöneres Geständnis kann ich mir nicht vorstellen!
Wir haben unseren Schallplattenspieler reaktiviert. Endlich wieder alle Platten hören! Ich weiß noch von jeder, woher ich sie habe. Mit jedem Album eine Zeitreise ins Zimmer einer Freundin, eines Freundes oder auf eine Party. Alle paar Minuten eine neue Musik auswählen und das schöne große Cover angucken. Und ja: Ich kaufe wieder neue alte Schallplatten.
Mein Bauch wird immer runder, ich kann das Leben darin spüren, und mir wird jeden Tag aufs Neue bewusst, wie reich ich bin an Glück, Dankbarkeit und Liebe.
Als alleinerziehende Mutter eines dreijährigen Trotzkopfs stoße ich im Alltag immer wieder an meine Grenzen: Wenn meine Tochter einfach gegen alles ist und wenn jedes „Nein“ von mir einen Wutanfall auslöst. Ich schalte das Radio ein, um ein bisschen zu entspannen, da kommt mein kleiner Wirbelwind angeschlichen und streckt mir die Ärmchen entgegen: „Mama tanzen“. Ich nehme sie auf den Arm, und wir wippen durch die Küche. Sie drückt ihre tränenfeuchte Wange an meine, dann gibt sie mir ein Nasenküsschen. Mein Leben ist schön, wie es ist.