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Kopf und Kragen

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In unserer Foto- und Erinnerungskiste gibt es viele Dokumente aus dem Ersten Weltkrieg: Briefe, die mein Vater an seine Verlobte (später: meine Mutter) geschrieben hat, außerdem Ansichtskarten, ab Ende 1914 ganz aktuell auch mit Kriegsruinen: Lyck, Bialla, Mühlen, Petrikatschen, Stallupönen, Wartenburg, Allenstein. Ganz eigener Art aber ist diese »Postkarte«, für die er auf der Fahrt von seinem Heimatort Bochum zu seinem Gestellungsort Lötzen beim Umsteigen in Berlin in der Eile und in Ermangelung von Schreibpapier seinen steifen Stehkragen durchschnitten hat. Als Kind war ich von dieser Absonderlichkeit fasziniert, erst später hat mich ihre Symbolhaftigkeit berührt. Der Postbote, der zunächst »St(rafporto) 20 (Pfennig)« notiert, sich dann aber korrigiert hat, war offenbar noch nicht auf Feldpost eingestellt.

Marianne Muthmann-Friemann, Bochum

 

Was mein Leben reicher macht

Im IC hinter mir eine türkische Mutter mit Kleinkind, das seit zwei Stunden quengelt und schreit, obwohl die Mutter sich alle Mühe gibt, es zu beruhigen. Alle sind langsam genervt, die Köpfe drehen sich. Schließlich eine ältere Dame: »Setzen Sie sich her, ich singe der Kleinen etwas vor.« Sie singt leise einige alte Kinderlieder wie Hänschen klein. So schön, dass ich selbst ganz ruhig werde. Nach fünf Minuten ist das Kind eingeschlafen und schläft die restlichen zwei Stunden durch.

Anne Okolowitz, Radolfzell

 

Schnellzugzuschlagschein: Mein Wort-Schatz

Das Wort »Skischuhschnalle«, das die slowakische Leserin Frau Grenová ins Herz geschlossen hat, erinnert mich an mein Lieblingswort aus der Zeit, als ich, ein Engländer, in der Schule Deutsch lernte. Das Wort hieß: Schnellzugzuschlagschein. Es war für mich ein Moment der reinen Freude, als ich einige Jahre später an einem österreichischen Bahnhof ein solches Papier tatsächlich in der Hand hielt. Das Wort vereinte in sich die jugendliche Sehnsucht nach fernen Ländern, das Versprechen der großen Bahnlinien und die Akkuratesse des höflichen, korrekt gekleideten Bahnbeamten, der mir den Schein ausstellte. Vielleicht finde ich eines Tages das gute Stück unter meinen alten Papieren im Keller wieder. Wäre schön, denn heutzutage gibt es leider weder Schnellzugzuschlagscheine noch Bahnbeamte!

Anthony Mellor-Stapelberg, Hemmingen bei Hannover

 

Aufs Innigste

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In einem Park in Dublin haben sich eine Platane und eine metallene Bank aufs Innigste miteinander verbunden – ein jahrzehntelang dauernder Prozess, der von den Besitzern und Besuchern des Parks erstaunt und interessiert beobachtet wird.

Sarah Conrad, Kiel

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Freundin Ruth. Nach einer Chemotherapie im vorigen Jahr samt permanenter Übelkeit und großem Gewichtsverlust sitzt sie mit ihren schönen runden Hüften und ihrem prallen Busen lustig wie früher neben mir in der Küche. Wir blättern in Kochbüchern, und sie sagt genießerisch: »Alles schmeckt sooo gut, einfach alles!«

Romy Prinoth Fornwagner, Innsbruck

 

Spornstreichs: Mein Wort-Schatz

In einem Brief unserer 16-jährigen Tochter erstaunte uns die mehrfache Verwendung des Wortes Spornstreichs – zurückzuführen wohl auf ihre intensive Lektüre der Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann. Schade, dass dieses anschauliche Wort so ganz aus dem Gebrauch gekommen ist!

Marie-Luise Mettlach, Burscheid, Nordrhein-Westfalen

 

Gefährlich

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In der tiefsten Pfalz sind die Straßen nur für den forstwirtschaftlichen Verkehr frei, das Zuwiderhandeln wird offenbar mit Schusswaffengewalt geahndet. Gesehen in der Gemarkung um Eulenbis.

Klaus Störch, Flörsheim am Main