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Was mein Leben reicher macht

Ein grauer Morgen auf der Autobahn, der Weg zur Arbeit zieht sich. Mit einem Mal bricht die Sonne durch den Dunst; Wiesen, Bäume und die großen Strohballen sind in herrliches und sanftes Licht getaucht. Ein Moment für die Ewigkeit.

Fred Kunze, Karlsruhe

 

Was mein Leben reicher macht

Nach diesem vollen Sommer die Sommer­sprossen meines Freundes zu zählen, die noch unzählbarer geworden sind. Und ihnen Namen zu geben: Roberta, Noberto, Paradiso… Und dabei einzuschlafen.

Dorothea Hölzer, Weinheim

 

Ausbutzeln: Mein Wort-Schatz

Meine Mutter hat, soviel ich weiß, während unserer Kindheit keine Elternratgeber gelesen. Sie schenkte die Zeit, die sie hatte, uns Kindern lieber direkt: meinem Bruder und mir. Auch das Modewort »Entschleunigung« kannte sie nicht. Aber wenn wir morgens geweckt wurden, dann mussten wir nicht gleich aufspringen. Nein, wir durften ausbutzeln. Kein harsches »Aufstehen! Mach hinne!« vermieste uns den beginnenden Tag. »Ausbutzeln«, das bedeutete, langsam in den Tag hineinzublinzeln, sanft wach werden zu dürfen. Sich zu strecken und dann die ersten Gedanken auf den neuen Tag zu richten. Nach zehn Minuten wurden wir freundlich noch mal geweckt, und dann war alles ganz einfach.

Leonore Pastewka, Glinde bei Hamburg

 

Zeitsprung: Lutz aus Jößnitz

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Vor 51 Jahren standen mein Cousin Lutz und ich in festlicher Kleidung vor dem damaligen Kindergarten in Jößnitz bei Plauen. Den Blumenstrauß in meinem Arm hatte meine Tante zur Namensgebung ihres Sohnes Thors­ten binden lassen. Mein Vater und ich waren zur Familienfeier in die DDR gefahren. Meine Mutter konnte leider nicht dabei sein, weil sie zehn Jahre zuvor aus der DDR geflohen war. Das aktuelle Foto entstand, als mein Mann und ich meine heute 82 Jahre alte Mutter zum Klassentreffen nach Plauen chauffierten und wir uns mit unseren Cousins trafen. Lutz war gleich für die »Zeitsprung«-­Idee zu haben und besorgte sogar einen Blumenstrauß. Wie un­terschiedlich wir die Jahre zwischen den beiden Bildern doch erlebt haben!

Katrin Monauni, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

Ein langer Tag am Schreibtisch liegt hinter mir. Körper und Geist sind übermüdet. Ach, soll ich jetzt wirklich noch zur Kanto­rei gehen? Nach 120 Minuten Mozart sind mir neue Lebensgeister zugewachsen!

Annelen Ottermann, Mainz

 

Was mein Leben reicher macht

Jeden Morgen fahre ich auf dem Weg zur Arbeit an einem großen Graffito vorbei: »HABEN ODER SEIN?«, in großen Let­tern auf knallrotem Untergrund. Jeden Morgen die Erinnerung daran, die Priori­täten im Leben immer wieder zu hinter­ fragen. Herzlichen Dank dem Sprayer!

Karola Plumridge, Königstein

 

Aus meinem Garten

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Es muss etwa achtzig Jahre her sein, da bekam meine Mutter von einer Tante eine kleine Kleepflanze geschenkt. Sie brachte diese mit in ihre Ehe. Als meine Mutter starb, war ich fünf Jahre alt. Meine Stiefmutter hegte das Pflänzchen, und als ich begann, in die Welt hinauszuziehen, nahm ich es mit. Nun erfreut mich mein Klee, stattlich herangewachsen, jedes Jahr den ganzen Sommer mit seiner Blü­tenpracht und erinnert mich an meine beiden Mütter.

Agnes Mom, Nürnberg

 

Was mein Leben reicher macht

Ein junger Berliner kommt mir lächelnd entgegen: »Hallo, Mutti, wie geht’s?« – »Gut«, erwidere ich lachend. Darauf er: »Na prima!« Und wir eilen weiter.

Renate Büchner, Berlin