Lesezeichen
 

Kobolz: Mein Wort-Schatz

Wenn meine Oma mit uns Fußball schaut, dann nicht der Tore wegen. Am spannendsten findet sie die Fouls und Rangeleien – und die Spieler, die alle paar Minuten Kobolz schiessen, also hinfallen oder sich überschlagen. Die Zeitlupe lässt das ja oft sehr lustig aussehen. »Kobolz schießen« ist ein Ausdruck, den auch ich mir früher oft von meiner Oma anhören musste – wenn ich mal wieder über meine eigenen Füße gestolpert bin. Ihn beim Fußball zu verwenden scheint mir gar nicht so weit hergeholt: Schließlich haben alle Profispieler mal auf dem sogenannten »Bolzplatz« angefangen.

Franziska Viebach, Dresden

 

Das ist mein Ding

s78-handschuhe

“Diese Handschuhe mit den beiden zusammengewachsenen Händen strickte mir bei meiner zweiten Heirat meine Tochter als Hochzeitsgeschenk. Cornelia wirkte auch als Trauzeugin (der andere Zeuge war Renato, der gleichaltrige Sohn des Bräutigams). Ihr symbolischer Glückwunsch ziert nun seit 24 Jahren unsere Schlafzimmerwand und scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben.

Hannelore Ciofi Iannitelli, Cerveteri, Italien

 

Ich schäme mich

(nach Rainer Maria Rilke, »Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort«)

Ich schäme mich: Der Politiker Wort
legt alles unklar, verworren dar.
Ich weiß nicht, was wird, und nicht: Was ist wahr.
Probleme schieben sie weit von sich fort.

Mich ärgert Leichtsinn. Banalität
bestimmt ihr Handeln. Wo führt das hin?
Ich frage mich, ob ich der Einzige bin,
der maßlos in Trauer, in Wut gerät.

Ich fürchte die Herrschaft der Plutokratie,
die Mensch und Natur Katastrophen bringt.
Dahin sinkt alles, und nichts gelingt.
Empört euch doch endlich – jetzt oder nie!

Dieter Klein, Hildesheim

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Vereinskamerad Helmut, der mit fast 90 Jahren regelmäßig bei unseren Turnstunden präsent ist. Spricht jemand das Thema altern an, so leitet er seine Kommentare mit der Formulierung ein: »Ich bin in meiner Jugend ja schon ein wenig weiter vorangeschritten als ihr …«

Angela Landgraf-Seidel, Mannheim

 

Bullewums und Koppheister: Mein Wort-Schatz

Kürzlich ging es bei uns um den »Purzelbaum«, also die Rolle vorwärts. Meine Frau – sie kommt aus Norddeutschland – sagt dazu Koppheister schiessen. Ich selbst dagegen stamme aus dem Siegerland und lernte den Purzelbaum als Bullewums kennen. Es gibt schon merkwürdige Ausdrücke. In jedem Fall sind sie lautmalerisch!

Johannes Kiuntke, Metzingen, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Auf der Heimfahrt vom Langlaufen mit meinem Freund im Schnee knien und, beide völlig ungeübt, Schneeketten anlegen müssen. Das steile Straßenstück meistern. und dann – mit den Schneeketten und der eben erworbenen Kenntnis – einem anderen Autofahrer zu Hilfe kommen. Noch lange frierend spüren, wie glücklich ich mit dem neuen Schneekettenprofi bin.

Elisabeth Wimmer, Graz, Österreich

 

Zeitsprung: Erderwärmung

s68-zeitsprung-1980 s68-zeitsprung-2010

Mein erster Urlaub mit Freunden führte mich 1980 im Käfer von Hamburg nach Norwegen. Dabei entstand das Foto oben. Damals konnten wir noch ganz nah an den Gletscher wandern. Als ich dann 2010 meiner Frau und unserem Sohn den Briksdalsbreen zeigen wollte, präsentierte sich uns ein deutlich anderes Bild. Klimaveränderung, ganz persönlich erfahrbar.

Olaf Christen, Markkleeberg, Sachsen

 

Die Kritzelei der Woche

s68-kritzelei

Probevorlesungen im Fachbereich Architektur. Als Professor im Ruhestand gehöre ich der Jury an. Die Berufskolleg/innen stellen sich möglichst vorteilhaft dar. Für beide Seiten ein langer Tag. Man hört,staunt und kritzelt einen ganzen Block voll mit Personalien, Eindrücken und Notizen …

Wolfgang Pitsch, Nürnberg

 

Was mein Leben reicher macht

Heiligabend, gedrückte Stimmung. Oma, fast 90 Jahre, kaum noch ansprechbar, liegt im Sterben. Dann plötzlich schiebt mein Vater sie auf ihre Veranlassung hin in die Küche. »Oma stirbt heute noch nicht«, sagt er. Wir öffnen spontan eine Flasche Sekt und stoßen mit ihr an. Sie greift nach dem Glas und trinkt es in einem Zug leer. Wir staunen und wissen in dem Moment, es ist unser persönliches Weihnachtsgeschenk. Drei Tage später stirbt sie.

Brigitte Rahn, Aschaffenburg