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Plastisch

Das weiß gestrichene Fahrrad, das direkt unter der Geschwindigkeitsbegrenzung an einen verunglückten Radler erinnert, dürfte mehr zur Einsicht der Autofahrer beitragen als jede Polizeikontrolle.

Gesehen im kalifornischen Berkeley.

Stefan Fürst, Oberkochen, Baden-Württemberg

 

Paradekissen: Mein Wort-Schatz

In der Zeit unserer Großmütter gab es auf den Betten noch das sogenannte Paradekissen. Dieses war nur zur Zierde und nicht zum Gebrauch vorgesehen. Der Schönheit wegen wurde die Mitte des Kissens mit der Hand geteilt. Diesen Vorgang nannte man das Ärschle machen. Mit dem Verschwinden des Kissens ist leider auch dessen korrekte Behandlung in Vergessenheit geraten.

Paul Hay, Waldbronn, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Vater, der seine Krebsdiagnose mit unglaublicher Größe annimmt: »Ich gehe auf die 70 zu und hatte in meinem Leben so viel Glück. Da darf man jetzt nicht hadern, sondern muss dankbar sein.« Mein Papa war noch nie so sehr mein Vorbild!

Kerstin Büssemeier, Mülheim an der Ruhr

 

Was mein Leben reicher macht

In der Ausstellung Im Farbenrausch – Munch, Matisse und die Expressionisten im Essener Folkwang Museum betrachte ich die Dekorative Figur von Henri Matisse aus dem Jahre 1908. Sie stellt eine überaus reizvolle Frau mit selbstbewusstem Auftreten dar. Eindringlich blickt sie mich an.

Jörg Mirbach, Essen

 

Die erste Liebe

Würzburg 2012: Ich warte am Bahnhof auf einen Zug und komme mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der zu seinem 50-jährigen Abi-Jubiläum fährt. Er trägt ein Hörgerät und merkwürdige Socken aus Naturwolle, aber seine Bewegungen und sein Lächeln lassen mich an jemand denken, den ich früher gut kannte.

Würzburg 1966: Uns gegenüber zog ein Medizinstudent ein, in den ich mich voller Inbrunst verliebte. Als ihn sein Vater nach einer nicht bestandenen Prüfung zum Studium nach Kiel beorderte, folgten Briefe und ein (heimlicher) Besuch meinerseits in Kiel. Als ich später nach Hamburg zog, besuchte auch er mich noch einmal, dann verloren wir uns aus den Augen. Würzburg 2012: Als ich am Bahnhof neben ihm saß, wagte ich nicht zu fragen. Doch Gott sei Dank gibt es heute das Internet. Schnell habe ich den Doktor gefunden. Ich rufe ihn in der Praxis an. Er kommt an den Apparat. Er ist es. Er hat mich nicht erkannt. Wir haben uns verändert in 46 Jahren. Wie schnell unsere Zeit auf dieser Erde vergeht. Nie habe ich es so deutlich gespürt. Doch gleichzeitig spüre ich ein sehr warmes Gefühl.

Elisabeth Conrad, Würzburg

 

Bankers Erntedanklied

(Nach Matthias Claudius, »Wir pflügen und wir streuen«, zu singen nach der Melodie: Evangelisches Kirchengesangbuch Nr. 508)

Wir lügen und wir streuen
euch Sand in das Gesicht;
dass wir das je bereuen,
glaubt ihr wohl selber nicht.
Das wird sich auch nicht ändern,
Frau Merkel hat’s erkannt:
Wir sind in allen Ländern
so wirtschaftsrelevant!
Alle gute Gabe schenkt uns die Politik,
drum dankt ihr, dankt, drum dankt ihr, dankt;
sie sichert unser Glück!

Sie macht aus jeder Pleite
für uns doch stets Gewinn;
hielt gestern und hält heute
uns Rettungsschirme hin.
Geld, das wir gar nicht haben,
vermehrt sie ohne Zahl.
Wir können uns dran laben,
denn uns fehlt die Moral.
Alle gute Gabe schenkt uns die Politik,
drum dankt ihr, dankt, drum dankt ihr, dankt;
sie sichert unser Glück!

Daniela Daniels, Meppen

 

Laufmaschenreparaturannahmestelle: Mein Wort-Schatz

Ich sammle seit vielen Jahren Begriffe – alte, neue, ärgerliche, bildhafte … – und habe schon Etliches beisammen. Vor ein paar Wochen fiel mir beim Gang durch das Städtchen Altenahr ein leider demolierter Strumpfautomat an einer Hauswand auf (Einwurf 3 x 1,–). Gleich kam die Erinnerung an die »Damenstrumpf-Revolution« Anfang der sechziger Jahre hoch. Vorher waren »Nylons« so teuer, dass kaputte Strümpfe sofort zu einer Laufmaschenreparaturannahmestelle gebracht wurden. Tempi passati!

Rolf Reinert, Bornheim, Nordrhein-Westfalen

 

Das ist mein Ding

Mein Ding ist diese zerbeulte Milchkanne mit Kindheitserinnerungen aus den fünfziger Jahren. Darin holten wir Milch vom Wagen, der zuerst noch mit Pferd kam, später war es das Auto. Wenn unser Hauswirt schlachtete, bekamen wir Wurstbrühe darin. Mühsam war es, die Kanne voll Bickbeeren (Blaubeeren, Heidelbeeren) zu sammeln. Heute steht sie im Küchenregal, gefüllt mit Dinkel.

Barbara Borgfeldt, Friedrichshafen

 

Was mein Leben reicher macht

Reisetee; das ist so eine Art Zaubertrank aus Darjeeling mit etwas Zucker und Zitrone, den nur meine Frau zubereiten kann. Er ist mir bei langen Autofahrten unentbehrlich.

Peter Haas, Teningen, Baden-Württemberg