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Kritzelei der Woche


Der große Hofhund einer guten Freundin, ein Hovawart, war plötzlich gestorben. In einem langen Telefongespräch versuchte ich, sie zu trösten. Es ging dann aber auch um wenig mitfühlende, herzlose Tierärzte, den Tod von Haustieren und um Bestattungsrituale. Es war, als sei ein Mensch gestorben. Und während des Telefonats entstand diese Zeichnung.

Hilke Grudzinski, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Nach getaner Arbeit am Schreibtisch, in Haus und Garten auf die Anhöhe vorm Haus gehen und im Angesicht der sinkenden Sonne der toten Geliebten gedenken. Nicht in Trauer aufgelöst, sondern erfüllt von der Erinnerung an ihre Schönheit und in beseelten Träumen, ihr wiederzubegegnen.

Horst Kühn, Lüchow

 

Was mein Leben reicher macht

Die Sendung SWR 2 am Morgen. Noch im Dunkeln greife ich nach dem Radioknopf, und Wohlklang macht mich langsam wach. Ich glaube, dass ich Musik nie intensiver höre als in dieser Stunde, und die kurzen Wortbeiträge zwischen den Musikstücken geben dem erst halb wachen Hirn schon mal was zu denken.

Ingeborg Kaether, Alpirsbach

 

Was mein Leben reicher macht

Außer im Hochsommer trug meine Großmutter über ihren Kleidern immer eine kleine schwarze Wollweste mit zierlichen Knöpfen. Sie fror leicht im Rücken und nannte das Kleidungsstück »meinen Seelenwärmer«. Ich fand das eine schöne, anheimelnde Bezeichnung. Und da ich auch oft im Rücken friere, habe ich diesen Usus übernommen und mir eine Kollektion von Westen für alle Jahreszeiten zugelegt, die ich gerne trage und die mir Seelenwärme geben.

Eleonore Uhlig, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn das Flugzeug startet, sitze ich immer in Angst erstarrt, Schwitzehändchen inbegriffen. Neulich beim Abheben nimmt mein fremder Sitznachbar spontan meine Hand und hält sie fest, bis wir oben sind. Wir haben nicht gesprochen.

Regine Gfesser, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Draußen Silvesterknaller, drinnen auf dem alten Plattenspieler Songs from a Room von Leonhard Cohen. Im Glas ein wunderbarer Sagrantino aus Umbrien. 2012 kann kommen!

Werner Link, Wachtberg

 

Grund genug


Auf dem Weg zu einem Spaziergang an der Elbe fiel uns kürzlich diese Mitteilung an einem Lokal am Dresdener Schillerplatz auf.

Mathias Meuer, Freital-Pesterwitz

 

Geburt

(Nach Rainer Maria Rilke, »Abschied«)

Wie hab ich das gefühlt was Ankunft heißt.
Wie weiß ichs noch: ein winzges Unbekanntes
und plötzlich doch so ganz und gar Verwandtes
kommt an. Ist da. Wie lang sind wir gereist!

Wie war da kaum mehr Kraft, noch durchzuhalten,
als uns auf halbem Weg der Mut verließ.
War kein Spaziergang, nein: Naturgewalten!
Und dann – ganz klein und zart und nichts als dies:

Ein Lächeln, schon so ganz auf mich bezogen,
ein leise, freundlich Lächelndes, wohl kaum
erklärbar, fassbar. Beinah wie ein Traum,
dass du uns, kleines Vöglein, zugeflogen!

Susanne Fichte, Erfurt

 

Was mein Leben reicher macht

Die Amsel, die seit vier Wintern auf meinem Balkon Futter sucht, ist wieder da. Ich erkenne sie an einer weißen Feder auf jedem Flügel. Wie schön, dass sie ein weiteres Jahr überlebt hat!

Rita Herber, Bad Camberg

 

Sekundärrohstoffannahmestelle: Mein Wort-Schatz

Dieses Wort geht mir nicht aus dem Kopf: Sekundärrohstoffannahmestelle. Tatsächlich war das in meinen Kindertagen in der damaligen DDR ein nicht nur gebräuchliches Wort, sondern eine kleine Einnahmequelle für Kinder. Es war nichts anderes als eine Annahmestelle für Flaschen, Gläser und Papier. Diese wurden – soweit mir noch bekannt ist – nur an diesen Stellen abgegeben und nicht im Geschäft, wo man eingekauft hatte. Ausgerüstet mit einem Bollerwagen, zog man samstags von Plattenbau zu Plattenbau. Hundertmal geklingelt, hundertmal treppauf, treppab, hundertmal die Frage: »Guten Tag, haben Sie Flaschen, Gläser und Altpapier?« Ich war froh, wenn jemand Marmelade lieber mochte als Bier, denn für Gläser gab es ein paar Pfennige mehr als für Flaschen. Altpapier war nicht sehr rentabel, aber wer wollte schon auf eine zusätzliche Tafel Schokolade verzichten? Resultat eines ganzen Samstags: vier Stunden Sammeln, vier Stunden Anstehen, fünf Minuten am Kiosk für ein paar Süßigkeiten. Heute werde ich schon nervös, wenn ich am Mehrwegautomaten eine Minute zu lang warten muss. An Gummibärchen und Co gehe ich lustlos vorbei. Aber an das Wort und die Anstrengungen von damals erinnere ich mich heute noch gern. Da war Zeit noch relativ.

Sylke Brand, Wiesloch