Die Straßenbahn wird gleich abfahren. Eine ältere, gehbehinderte Frau versucht, sie noch zu erreichen. Da steht ein etwa 13-jähriger Junge von seinem Sitz auf, drückt den Türöffner von innen, die Bahn muss weiter halten, und die Dame kann einsteigen. Ob sie die kleine Aufmerksamkeit des Jugendlichen bemerkt hat? Ich weiß es nicht. Aber es hat mich berührt, gefreut und irgendwie glücklich gestimmt.
Diese Szenerie findet man täglich am Berliner Ostbahnhof in der Nähe des Haupteingangs. Mehrere dieser Verbotsschilder zieren rundum das Geländer einer Tiefgaragenein fahrt, die Radfahrer aber haben kein Einsehen. Denn schließlich: Hier kann man sein Fahrrad fest anschließen, was auf der gegenüberliegenden Straßenseite, an den offiziellen Fahrradständern, nicht so bequem geht. Da nützt es auch nichts, dass dort das völlig absurde Schild »Fahrradabstellanlage« angebracht ist. All diese Schilder hätte man sich also wirklich sparen können.
Das Jubelgeschrei der U-11-Fußballjungs, die mein Mann und ich trainieren. In einer viel zu schweren Gruppe verlieren wir ständig und richtig hoch. Nach einer 14:2-Niederlage feiern unsere Jungs in der Kabine ihre zwei Tore so ausgelassen, als hätten sie das Champions-League-Finale gewonnen. Und wir Großen lernen: Alles ist relativ. Und
Freude ist ansteckend!
natürlich gibt es amüsantere Aktivitäten an einem strahlend sonnigen Sommernachmittag, als ihn freiwillig vor düsterer Bühnenkulisse bei Kerzenschein zu verbringen – zumal um schwermütige Texte zu hören. Aber Ihnen ist es gelungen, daraus eine kleine künstlerische Sternstunde zu machen. John Donnes schaurigmorbides Todesduell und die Große Elegie von Joseph Brodsky, von Ihnen rezitiert, interpretiert und musikalisch begleitet, ließen den dunklen Theatersaal plötzlich heller leuchten als den Sonnenschein draußen. Mitten im Sommer in abgründige Texte eintauchen? Mit Ihnen – jederzeit wieder!
Der gütige und warmherzige Standesbeamte auf der Insel Langeoog. Er nimmt sich eine Dreiviertelstunde Zeit und überrascht uns mit einer nachdenklichen Rede und einem eigenen Trauspruch. In unserer Seele berührt, umarmen
wir drei uns beim Abschied. Spontan schenken wir ihm unsere Hochzeitsmusik.
Demonstrationen gegen Stuttgart 21, Proteste gegen Atomkraft – die letzten Monate waren vom Engagement des „Wutbürgers“ geprägt. Die neue Protestbereitschaft interessierte auch die Oberstufenschülerin Ann-Kristin Grobe und sie hatte einen Wunsch: eine Diskussion zu diesem Thema mit Thomas E. Schmidt an ihrem Gymnasium Essen-Überruhr. Vor rund 200 Schülerinnen und Schülern diskutierte der Kulturkorrespondent der ZEIT mit Lokalpolitikern über Die neue Protestbereitschaft unserer Gesellschaft, ihre Wahrnehmung und Auswirkungen. Gibt es eine neue Kultur des Widerstandes?
In einer kurzen Einführung schilderte Thomas E. Schmidt seine Gedanken über die neue Protestbewegung: Früher seien es immer wieder die gleichen Demonstranten gewesen, die sich an den Protesten beteiligt und oft auch Gewaltbereitschaft gezeigt hätten. Heute in Stuttgart laufe es anders. Dort handle es sich um lokale, friedliche Proteste von gut informierten Demonstranten, denen es nicht um sozialen Protest gehe, sondern um Mitspracherecht und Bürgerbeteilung.
Das Demonstrationsrecht sei wichtig, so der Tenor auf dem Podium. Bei anderen Themen divergierten die Meinungen stark. Die Teilnehmer diskutierten lebhaft über Sinn und Zweck sowie Hintergrund der Protestbewegungen und die Handlungsmöglichkeiten der Parteien.
Das Interesse bei den Schülern war groß, die Zeit für Fragen dagegen knapp: Warum nimmt man Gruppen, die für etwas demonstrieren, meist negativ wahr? Hat man als Bürger nur vor Wahlen Mitspracherecht? Und wie weit dürfe man beim Protestieren gehen?
Das Resümee des ZEIT-Kulturkorrespondenten: Es sei beunruhigend, wie viele Entscheidungen von Politikern aus Angst getroffen werden. Genau darin liege seiner Meinung nach der Grund, warum die Bevölkerung sich nicht politisch engagiere und sich stattdessen eigene Protestformen suche. Sind die Parteien damit überhaupt noch attraktiv? Weitere Kommentare finden Sie hier.
(nach Bertolt Brecht, »Erinnerung an die Marie A.«)
Es war im Mai bei einem Bienenhause
Dass ich die kleinen weißen Sprossen sah
Sie warn so bleich und gleichsam todumfangen
Als ich sie aufaß, war ich nicht mehr da.
Es gibt davon noch ungeheuer viele,
Denn auch die Bienen schwärmen hin und her
Die Sprossen sprießen blass und krumm und
traurig,
Dass man sie aufisst, ohn’ zu wissen mehr.
Wo ich sie aß, das kann ich nicht mehr sagen
Doch wie sie schmeckten, weiß ich vom
Verzehr
Sie schmeckten weiß, morbid und
melancholisch
Sie schmeckten einfach wie von unten her.
Nach einem Jahr Auslandsaufenthalt nach Hause zu kommen und zu merken, dass man mit den Freundinnen noch genauso reden kann, als wäre man gar nicht weg gewesen.
Ein regnerischer Montagmorgen an der Trambahnstation, auf dem Weg zur Arbeit. Ein kleines Mädchen, das ich nicht kenne, läuft auf mich zu, bleibt stehen und sagt: »Du bist schön!« Lieben Gruß an die fünfjährige Anna, die meinen Tag und meinen Start in die Woche so wunderbar erhellt hat!
Herzensbildung liegt ganz zuoberst in meiner Wortschatzkiste. Ein Wort wie ein Füllhorn der Fantasie. Bestehend aus zwei Begriffen, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung den Körper ertüchtigen und den Geist bereichern. Doch erst zusammengesetzt machen sie den ganzen Menschen aus, zeigen uns ein Stück seiner Seele. Ich bedaure sehr, dass der Begriff und seine anstiftende Wirkung immer mehr in Vergessenheit geraten. Denn was schließt dieser Wort-Schatz nicht alles ein: Mitgefühl, Güte, Anstand und Hilfsbereitschaft. Gelassenheit und Lebensweisheit. Auch Beherztheit und Selbstsicherheit, Verantwortungs- und Handlungsbereitschaft schwingen mit. Und vieles mehr. Wer denkt dabei nicht an die führende Hand der Großeltern, den prägenden Rat des Vaters, die weisende Liebe der Mutter? An Geschwister, Freunde, Lieblingslehrer. Mag es auch pathetisch klingen: Jenseits von Pisa und G 8 ist Herzensbildung der goldene Schlüssel zu einer besseren Welt – zumindest aber zu einem besseren Miteinander. Heben wir den Schatz!