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Was mein Leben reicher macht

Eine kurze Unterbrechung meines monotonen Alltags als Zusteller des Gemeindeblattes. Ein Zeitungsrohr mit einem Schild: »Bitte keine Zeitungen einwerfen – Vogelnest!«. Ich stutze, riskiere einen kurzen Blick, sehe das Nest ganz hinten im Rohr, stecke die Zeitung eben in den Briefkasten und freue mich über das friedliche Zusammenleben von Mensch und Tier.

Jan-Philip Seitz, Karlsruhe

 

Kritzelei der Woche

Dieses Deckblatt meines Collegeblockes habe ich innerhalb mehrerer Wochen mithilfe eines Korrekturstiftes während des Unterrichts gestaltet. Allerdings ist diese Verzierung nicht aus Langeweile entstanden, es hilft mir, mich zu konzentrieren, besonders, wenn ich Referaten zuhöre. Ich habe in diesen Wochen auch andere Kritzeleien auf Blöcken und Heftern begonnen und vollendet, aber diese ist mir die liebste.

Johanna Lembcke, Rickling, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Mit einem Team von Ehrenamtlichen des ADFC Erwachsenen das Radfahren beizubringen. Das Strahlen auf den Gesichtern der Teilnehmerinnen, die meist zwischen 35 und 60 Jahre alt sind, wenn sie ihre ersten Runden auf dem Rad drehen. Fatimas unermüdliches Üben der Rechtskurven und Ernas glücklicher Aufschrei „Ich kann fahren“.

Annegret Schemmer aus Bonn

 

Was mein Leben reicher macht

Vor vielen Jahren lernte ich Erich Kästners Gedicht Der Mai auswendig. Jedes Jahr im Monat Mai rezitiere ich es besonders oft, nur zum persönlichen Genuss. Und es ist immer wieder Balsam auf die Seele.

Barbara Edelman, Indiana (Pennsylvania), U.S.A.

 

Zeitsprung

1960

2011

1960, als Spanien noch eine Diktatur war und die wenigsten Straßen dort asphaltiert waren, kauften meine Eltern für wenig Geld an der Costa Blanca direkt am Meer einen schlichten Winkelbungalow. Das Haus hatte einem italienischen Architekten gehört, dem während der Bauphase das Geld ausgegangen war. Das merkte man an der teilweise schlechten Substanz, aber das Haus hatte Charme und eine wunderbare Lage. In den über 40 Jahren, die das Haus meinen Eltern gehörte, erlebte Spanien den Übergang zur Demokratie – und einen ungesunden Bauboom. Das Land wurde nach und nach bedeckt mit den immergleichen Häusern, deren Stil der Nordeuropäer für spanisch hält: Türmchen, Treppchen, Bögelchen. Unser Bungalow war total aus der Mode. Ich fand das Haus jedoch immer schön mit seinen schlichten Linien, mit seinen einfarbig pastellfarben getünchten, großzügig geschnittenen Räumen. Inzwischen waren Palmen, Eukalyptus und Pinien in die Höhe gewachsen, und es war einer der schönsten Plätze weit und breit. 2001 haben meine Eltern das Haus verkauft, die neuen Eigentümer haben es abgerissen und den Garten völlig entfernt. Dann wurde auf der 1500- Quadratmeter-Parzelle wieder ein Haus gebaut, jetzt ist der kubische Stil der klassischen Moderne plötzlich wieder en vogue. Welche Definition charmanter ist, sei dahingestellt. (Das Bild von 1960 hat mein Vater aufgenommen, das andere stammt aus Google Street View.)

Leonore Weissenburger, Fachbach, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens um sechs unter der Dusche von sanften Wasserstrahlen empfangen zu werden, die wie eine warme, belebende Umarmung Kraft spenden für einen neuen Tag. Und dabei immer wieder der Gedanke: Welch ein Luxus!

Barbara Esser, Düsseldorf

 

Was mein Leben reicher macht

Meine wunderbaren Großeltern, die mit 76 und 79 Jahren noch so viel Energie und Lebensfreude ausstrahlen und seit 55 Jahren glücklich verheiratet sind.

Katja Püttker, Hannover

 

Eine kleine Weltreise

… aus traurigem Anlass« hat Sabine Kröner, 56, unternommen: Nach dem Tod ihres Mannes im vergangenen Jahr wollte sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Von Buenos Aires aus ist sie per Schiff um die Südspitze Amerikas und durch die Südsee gefahren, dann ging es über Australien, Indonesien, Singapur, Myanmar und Indien bis nach Dubai und durch das Rote Meer und den Suezkanal ins Mittelmeer – bis nach Venedig. Hier Sabine Kröners vorletzter Bericht:

Dubai ist gigantisch, artifiziell und unattraktiv. Nach der Busrundfahrt durch diese in die Wüste betonierte Stadt beschloss ich, den Rest der Kreuzfahrt nur noch als Badeurlaub zu gestalten. Einige der anderen Weltreisenden hielten das für eine gute Idee und schlossen sich mir an. Unseren ersten Versuch starteten wir in Salalah, im Süden Omans. Um das Hafengelände überhaupt verlassen zu können, mussten wir einen Shuttlebus nehmen, außerhalb des Hafentors fiel dann eine Meute von Taxifahrern über uns her. Keine Ahnung, worüber sie diskutierten. Vielleicht, welchen Preis sie verlangen sollten? Dabei waren wir einfach nur elf Personen, die auf dem direkten Weg zum Strand des Hilton-Hotels wollten. Als ich mit einer Gleichgesinnten einfach einen der Wagen bestieg, reagierte der Fahrer beleidigt: Feilschen gehört hier zum guten Ton. Aber er brachte uns an unser Ziel, und es wurde ein prima Tag. Habe mal wieder im Meer gebadet und bin über die Wasserrutsche in den Pool geglitten.
Der zweite Badeausflug – in Scharm al-Scheich – fiel hingegen weniger genussvoll aus: Laute Technomusik und alle möglichen Dienstleistungsangebote störten unsere Ruhe. Auf der Weiterfahrt wurde ich leider krank. Ein grippaler Infekt hielt mich davon ab, doch noch einmal etwas zu besichtigen: Auf das Katharinenkloster und den Ausflug nach Petra musste ich verzichten. Und auch die Panoramafahrt durch den Suezkanal konnte ich nur mit triefender Nase genießen – durch die Fensterscheiben der »Weinstube«.

Sabine Kröner, zzt. Port Said, Ägypten

 

Was mein Leben reicher macht

Eine Nase voll fränkischem Frühsommerabend: Apfelblüten, Fliederbüsche, Maiglöckchen, Erde und frisch gemähtes Gras, dazu ein Hauch Grillwürstchen aus Nachbars Garten. Einatmen, Augen schließen, den Vögeln zuhören.

Nikola Heinrichs, Pretzfeld

 

Liebkosung: Mein Wort-Schatz

Ein Wort, das ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört oder gelesen habe, heißt: Liebkosung. Obwohl das, was es meint, natürlich nicht ausgestorben ist und man es heute genauso macht wie ehedem. Vom Taktilen her mehr als ein Streicheln, aber weniger als Knuddeln, steckt in dem Begriff schon das Gefühl, das die Ausführenden füreinander haben. Es ist also ein treffendes Wort. Weshalb benutzt man es dann nicht mehr? Vielleicht liegt das daran, dass es sich so brav und anständig anhört, so gar nicht zielgerichtet, und vielleicht hat gerade diese träumerische Ziellosigkeit dieses Wort unmodern gemacht. Außerdem ist liebkosen ziemlich zeitaufwendig.

Charlotte Bensch, Weimar