Ich arbeite in einer Ganztagsschule ein paar Stunden die Woche als „Honorarkraft“, betreue Dritt- und Viertklässler mit Vorlesen, Zeichnen und Über-Gott-und-die-Welt-Reden. Die Kinder nennen mich „Oma Lulu“ , so wie meine Enkel zu Hause, von denen ich erzählt habe. Letzten Montag zog mich ein kleines Mädchen zu sich an den Tisch und fragte leise: „Weißt du, was ich mache, wenn ich traurig bin, Oma Lulu?“ Gespannt setzte ich mich zu ihr. „Ich denk an dich, und dann geht es mir gleich wieder gut.“ Ein schöneres Geständnis kann ich mir nicht vorstellen!
Von Herzen geärgert haben wir uns in diesem Sommer über das Museum im ehemaligen Fähranleger der Trelleborg-Fähre in Sassnitz auf der Insel Rügen. Wir hatten in den sechziger Jahren bis zu unserer „Republikflucht“ in Greifswald studiert, und diese Fähre war für uns ein magischer Ort gewesen, ein Tor in den versperrten Teil der Welt. Wir wussten genau, dass da keine (Ost-)Maus hindurchkommt, dass da auch geschossen wird… Hundert Jahre war die Fähre in Betrieb, immerhin vierzig Jahre davon in der DDR-Zeit. In diesem Museum nun ist allerlei Interessantes und Kurioses aus dem gesamten Jahrhundert zu sehen – bis man verwirrt feststellt, dass vierzig Jahre davon nur in (Werbe-)Plakaten existieren, kein Wort dazu, dass kein DDR-Bürger auf die Fähre, ja nicht einmal an die Fähre durfte, dass sie abgetrennt von der Stadt existierte, die Grenze scharf bewacht war und so weiter. Ich habe einen roten Kopf bekommen ob dieser Unverschämtheit zwanzig Jahre nach der Öffnung und sprach die Dame am Eingang darauf an. Zuerst wich sie milde lächelnd aus, in irgendeiner Ecke wäre doch irgendwas angedeutet, gab aber dann zu, dass das auch schon andere moniert hätten. Sie werde es natürlich weitergeben. Wer’s glaubt …!
Wir haben unseren Schallplattenspieler reaktiviert. Endlich wieder alle Platten hören! Ich weiß noch von jeder, woher ich sie habe. Mit jedem Album eine Zeitreise ins Zimmer einer Freundin, eines Freundes oder auf eine Party. Alle paar Minuten eine neue Musik auswählen und das schöne große Cover angucken. Und ja: Ich kaufe wieder neue alte Schallplatten.
Übers Wetter zu schreiben ist ja eigentlich eine ganz billige Nummer. Aber: Fräulein Smilla kannte viele Arten von Schnee, und genauso fühle ich mich, wenn ich versuche, den Regen hier in Kamerun zu beschreiben. Für die deutsche Sprache müsste man neue Worte erfinden, um das wahre Wesen dieses Ereignisses zu erfassen. Letztlich kann man sich die tropische Regenzeit von Europa aus aber wohl genauso wenig vorstellen, wie eine Kamerunerin sich einen Begriff von zugefrorenen Flüssen und Seen machen kann. Der Regen tröpfelt, klimpert, rauscht, kracht, schüttet, fällt, prasselt, raschelt, knistert, pladdert, strömt, entlädt sich mit wuchtiger Gewalt. Wahnsinnsblitze zucken wild über den Himmel. Donner grollt mit Wucht herein wie ein böser, grimmiger Poltergeist in den gruseligsten Märchen. Damit nicht genug: natürliche Grasdächer sind hier längst aus der Mode gekommen und Dächern aus Blech gewichen, die bewirken, dass man bei Regen das eigene Wort im Haus nicht mehr versteht. Staubpisten werden zu Matschpisten mit unbestimmt tiefen Löchern, ausgespült oder weggespült, und man hat das Gefühl, sich in einem Flussbett zu bewegen statt auf einer Straße. Dann kommt die stechende Sonne, die auch schon das nächste Gewitter anheizt, und der Zauber beginnt von vorn.
Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie von jetzt an jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.
Mein Bauch wird immer runder, ich kann das Leben darin spüren, und mir wird jeden Tag aufs Neue bewusst, wie reich ich bin an Glück, Dankbarkeit und Liebe.
Als alleinerziehende Mutter eines dreijährigen Trotzkopfs stoße ich im Alltag immer wieder an meine Grenzen: Wenn meine Tochter einfach gegen alles ist und wenn jedes „Nein“ von mir einen Wutanfall auslöst. Ich schalte das Radio ein, um ein bisschen zu entspannen, da kommt mein kleiner Wirbelwind angeschlichen und streckt mir die Ärmchen entgegen: „Mama tanzen“. Ich nehme sie auf den Arm, und wir wippen durch die Küche. Sie drückt ihre tränenfeuchte Wange an meine, dann gibt sie mir ein Nasenküsschen. Mein Leben ist schön, wie es ist.