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When a man loves a woman…

Ein paar Wochen nach der Geburt meines Sohnes, meine Gefühle fahren Achterbahn. Immer wieder muss ich grundlos weinen, gespannte Stille im Wohnzimmer, wo mein Sohn schläft und mein Mann, meine Mutter und ich herumhängen und nicht wissen, wie wir diese eigenartige Stimmung überwinden sollen. Da brummt eine dicke Fliege durch den Raum. Unsere Blicke folgen ihr unwillkürlich. Mein Mann aber, der sonst eine sehr seriöse Art hat, schnappt mit einer Handbewegung nach der Fliege, schüttelt die Faust mit großer Geste hin und her, wirft sich die angebliche Fliege in den Mund, kaut und – schluckt. Eine Pantomime offenbar, mit der er uns zum Lachen bringen will. Doch: Wir hören die Fliege nicht mehr! Sollte er tatsächlich…? Später gibt mein Mann zu, dass er selber überrascht war, als er die Fliege plötzlich in seinem Mund spürte. Und dass er seine Show dann auch zu Ende bringen wollte. Nur, um mich aufzuheitern. When a man loves a woman…

Ninel Çam, Ingolstadt

 

Glückstränen auf dem Moped

Rente mit 65. Die Kinder aus dem Haus. Die Mopedsammlung aufgelöst bis auf eine: Mit der roten Kreidler Florett, Baujahr 1959, fahre ich über die Alpenpässe nach Italien. Kleines Gepäck. Auf dem Sellapass weine ich vor Glück.

Friedel Liedhegener, Partenstein, Unterfranken

 

Lieber Rocky, Du Esel,

vor einiger Zeit haben wir uns auf einem Bauernhof in Österreich getroffen, und gerade muss ich an Dich denken: Im Internetradio höre ich das Lied Mein Freund, der Esel von Barış Manço, dem beliebten türkischen Musiker. Es ist ein Lied aus meiner Kindheit; Manço ist ja schon tot. In dem Lied singt er über die Sehnsucht nach Deinen langen Ohren und Deinen schönen Augen. In diesem Lied seid Ihr Esel die treuesten Freunde des Menschen. Ich kenne es nicht anders, seitdem ich denken kann. Nur hierzulande geltet Ihr als stur und dumm. Aber Ihr habt eben Euren eigenen Willen. Bleib so, wie Du bist!

Schöne Grüße,
Mahmut Kaymaz, Bielefeld

 

Seele baumeln lassen an der Ostsee

Nach 24 Jahren erfolgreicher Arbeit in derselben Firma: sechs Monate Kurzarbeit, sechs Monate Insolvenz, hundert Kollegen entlassen. Ich bekomme die Chance zu einem Neustart in der neu formierten Firma. Angst, Unfrieden, Zukunftssorgen, psychischer und physischer Stress. Aber jetzt: Endlich Urlaub und die Seele baumeln lassen. An der Ostsee. Hurra!

Stefan Koth, Bielefeld

 

Lieblos

Ich wohne in Lieblos. Und immer, wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, muss ich die dummen Kommentare der Schaffner über mich ergehen lassen: „Lieblos, gibt’s das wirklich?“. Oder: „Lieblos, sind die da alle so?“ Manchmal sage ich dann: „Ja, ich bin dort sogar geboren, stellen Sie sich vor!“, und möchte noch erklären, dass meine Mutter mich durchaus liebevoll erzogen hat. Aber der Kartenfuzzi ist bereits ein Abteil weiter.

So schnell wird man ungewollt zum Repräsentanten eines Ortes, eines Berufsstandes oder sonst einer Kaste. Wie könnte ich „mein“ Lieblos verteidigen? Durch die Gemeindereform, die den zwischen Frankfurt und Fulda liegenden Ort mit fünf anderen zu „Gründau“ zusammengefasst hat? Oder soll ich mich damit trösten, dass einige Orte in der näheren Umgebung noch schlimmer dran sind? Wer möchte sich im Zug schon für Eidengesäß oder Linsengericht entschuldigen! Nein, da bekenne ich mich lieber tapfer zu meiner Liebloser Heimat: Die Menschen hier sind engagiert, mitfühlend, liebevoll und kulturell aktiv. Außerdem vermutet man, dass der Name des Ortes von dem seines Gründers kommt: In der ersten urkundlichen Erwähnung 1173 stand noch „Libelas“. Aber erklären Sie das mal einem Kartenkontrolleur, der auf eine Pointe erpicht ist!

Bernd Hofmann, Lieblos

 

Kaninchen knurrt nicht mehr

Vor zehn Monaten habe ich eine völlig verstörte Zwergkaninchendame aus dem Tierheim aufgenommen. Jeden Annäherungsversuch hat sie mit Knurren (das können Kaninchen!), Kratzen und Beißen beantwortet. Inzwischen kommt sie vertrauensvoll zu mir gehoppelt, um sich Streicheleinheiten abzuholen. Und: Diese Rubrik finde ich super. Notorischen Schwarzsehern wie mir zeigt sie zumindest hin und wieder das Positive im Leben. Ich werde mir jetzt ein Heft anlegen, um alle Momente, die unter die Überschrift „Was mein Leben reicher macht“ fallen, festzuhalten.

Nadine Scholz, Seeheim-Jugenheim

 

Kritzelei: In der Vorlesung

Seit Jahrzehnten kritzelt mein Mann, der inzwischen 72 Jahre alt ist, vor allem während längerer und langweiliger Telefongespräche. Die dabei entstandenen Werke sind sich immer sehr ähnlich und meistens schwarz-weiß gehalten. Dieses Bild ist das Ergebnis einer wohl nicht besonders kurzweiligen Universitätsvorlesung in München während des vergangenen Sommersemesters.

Ingeborg Heilrath, Gilching bei München

 

Wer darf für Schottland spielen?

Bei den Qualifikationsspielen zur Fußball-EM spielen die „National“-Mannschaften von England, Wales, und Schottland mit. Alle Spieler haben aber den gleichen Pass: den des Vereinigten Königreichs. Nach welchen Kriterien darf ein britischer Bürger für England, Wales oder Schottland spielen? Und wäre es nicht schön, wenn auch Hessen, Bayern, Sachsen und so weiter eigene Mannschaften nominieren würden? Bei 16 Mannschaften könnten wir die EM unter uns austragen und bräuchten die anderen nicht mehr.

Werner Lampert, Nürnberg