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Die Kritzelei der Woche

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Ich arbeite in einem Konzern an einem Computersystem, das die Vertriebsprozesse abbildet und unterstützt. Bei solchen Projekten geht es in der Regel auf und ab: Es gibt viel zu klären, es gibt Missverständnisse und dann telefonische Nachfragen. Während dieser Telefonate kritzelt mein Kollege Christian Adam immerzu nebenbei. Und am Ende werden aus seinen kleinen Kritzeleien beeindruckende Bilder, die die Stimmungen und Strömungen im Großkonzern festhalten.

Anna Schüler, Braunschweig

 

Was mein Leben reicher macht

Ich bin im Außenbecken der Therme. Es fängt an zu schneien, ganz dicke Flocken. Und alle, ob Groß oder Klein, Alt oder Jung, recken ihren Kopf in Richtung Himmel, schließen die Augen und versuchen mit weit geöffnetem Mund, eine Schneeflocke zu erhaschen.

Margarete Dannenberg, Salzhemmendorf, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meinem Bruder (den ich erst vor fünf Monaten kennengelernt habe) im Supermarkt über Ingwer und Dörrbirnen philosophieren und dann heimfahren und Mäusekino gucken. Ganz viel lachen. Und gemeinsam mit ihm seinen dreißigsten Geburtstag feiern.«

Denise Heinzmann, Leipzig

 

Das Astgedicht

(frei nach Vicco von Bülow)

Er war mir bei des Gartens Pflege
Seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam ich mit mir überein:
Am Samstagmittag muss es sein!

Und als die Amsel ging zur Ruh,
Das Käuzchen tat die Äuglein zu,
Absägte ich direkt von vorn
Den groben Ast in Wut und Zorn.

Nicht nur den Kirschbaum hat’s getroffen,
Der Apfelbaum war noch am Hoffen,
Da kam mit Werkzeug ihm ich schon entgegen
Und tat ihm Arm um Arm absägen.

Nun kann ich fröhlich wieder mähen,
Kann ganz bis hinten durch nun sehen,
Kein Ast, kein Dorn den Rücken pikt,
Da die Natur ich hab besiegt!

Martin Müller, Rockenberg, Hessen

 

Zeitsprung: Wasserfall

Dies ist einer meiner Lieblingsorte, ein kleiner, versteckter Wasserfall in einem Waldstück meines Heimatorts. Hier kommt kaum jemand vorbei. Die Stelle ist so zugewachsen, dass man den Wasserfall vom Weg oben aus kaum sieht. Ich suche dieses verwunschene Plätzchen immer mal wieder auf, um Ruhe zu tanken. Dabei sind Bilder in verschiedenen Jahreszeiten entstanden.

Claudia Schellmann, Pliezhausen, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Hochschwanger mit dem ersten Kind, Mittagsschlaf. Im Halbschlaf höre ich meinen Mann im Kinderzimmer hämmern und fluchen, dann fragt er nach Pflastern. Endlich darf ich gucken kommen: Die Schubladen an der neuen Wickelkommode sind windschief, aber das erste Mal sehe ich meinen Mann mit Vaterstolz im Gesicht.

Julia Dahlkamp, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Ich arbeite im ambulanten Pflegedienst. Frau Hoppe ist nach einem Krankenhausaufenthalt glücklich wieder zu Hause. Jemand hat auf ihrem Kulturbeutel ein Pflaster mit ihrem Namen angebracht, aber falsch geschrieben, ein p fehlt: »Fr. Hope«. Das Namenspflaster wird nicht entfernt, die Hoffnung geht weiter mit durch den Tag.

Anne Ullner, Herten, Nordrhein-Westfalen