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Rückkehr der Mauersegler

Ich sitze am Schreibtisch und lerne Biochemie. Plötzlich höre ich vor dem Fenster dieses „Sriii, sriiii“. Die Mauersegler sind wieder da! Letztes Jahr um diese Zeit haben mein Freund Micha und ich den kleinen Paul – ein Mauerseglerkind – mit Maden und Heimchen gefüttert, um ihn für den Flug zurück nach Afrika vorzubereiten. Er hat fliegen gelernt und ist nun zurück. Ich renne ans Dachfenster und beobachte diese schönen Geschöpfe beim Fliegen. Kann man schöner vom Lernen abgelenkt werden?

Esther Beier, Bonn

 

Schämen Sie sich, Frau Merkel!

Vorab, liebe Frau Merkel: Ich bin ein Fan von Ihnen. Es zeugt von Mut und politischer Redlichkeit, wenn Sie den Staatshaushalt konsolidieren wollen, indem Sie die Ausgaben begrenzen. So weit, so gut. Als ich die „Liste des Grauens“ dann zu Gesicht bekam, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Sie wollen das Elterngeld der Hartz-IV-Empfänger streichen, aber den Spitzensteuersatz unangetastet lassen? Was haben Sie sich dabei gedacht? Von der Vorsitzenden einer Partei, die das C im Namen trägt, erwarte ich, dass sie die am Rande stehenden und ausgegrenzten Menschen in ihrer Politik besonders berücksichtigt. Ich bitte Sie, nehmen Sie die neoliberale Brille für einen Augenblick ab, und versetzen Sie sich in die Situation der Hartz-IV-Empfänger!

Diese Menschen werden jeden Tag von existenziellen Sorgen niedergedrückt. Am meisten leiden die Kinder darunter: Weil sie nicht die neuesten Klamotten tragen können und ihre Eltern nicht das Geld haben, ihnen die Klassenfahrt zu finanzieren, werden sie zu Außenseitern. Von sozialer Kälte und Ignoranz gegenüber den Sorgen dieser Menschen zeugt es, wenn Sie nun auch noch den Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld streichen wollen. Damit nehmen Sie den Kindern den letzten Rest an gesellschaftlicher Teilhabe; von ihrer persönlichen Würde einmal ganz abgesehen. Schämen Sie sich!

Stefan Martin, Leinfelden-Echterdingen

 

Frage

War das der Frühling?
Jetzt hoffen wir auf einen
besseren Sommer

Sigrid Küppers, Düsseldorf

 

Briefe über Deutschland (12)

Lieber Rich,

natürlich hat Kanada den Luxus der Distanz und kann sich die Griechenland-Saga mit etwas mehr Gelassenheit zu Gemüte führen, zumal es ja fix aus seiner kleinen Rezession rausgeklettert ist. Kürzlich sprach ein Leitartikler vom „deutschen Imperium“. Die Wortwahl wäre in Deutschland sicher anders ausgefallen, aber der Bezug auf Deutschlands dominante, exportorientierte und Abhängigkeit generierende Wirtschaft ist richtig. Daher trifft hier der Widerwille, mit dem sich die deutsche Regierung zu dem Hilfspaket durchgerungen hat, auf Unverständnis.

Allerdings nicht so sehr wie die Zustände, die in Griechenland die Krise mit herbeigeführt haben. Da zeigen die Kanadier eher Solidarität mit den Deutschen, die ihnen ja wirtschaftlich ähnlicher sind und mit denen sie sich daher leichter identifizieren können. Eine erboste Restaurantbesitzerin traf ich kürzlich in Spanien: Ihr missfiel, dass ihr Land, selbst gefährdet, jetzt auch noch Milliarden nach Griechenland schicken müsse. In ihrem hervorragenden Restaurant waren wir die einzigen Gäste. Mein Friseur meinte übrigens, dass Europas Ära zu Ende sei. Als stolzer Europäer, der auch weiterhin an das Projekt der europäischen Einheit und Solidarität glaubt, denke ich da anders. Aber wie ist die Stimmung in Deutschland?

Dein Julian

Im wöchentlichen Wechsel schreiben sich hier Julian Lee, 30, Umweltberater aus Montreal, und sein Stiefvater Friedrich Engelke, 68, Physiker aus Villingen

 

Post aus Wolkenstein

Foto: Bildverlag Thomas Böttger

Viele Grüße aus dem schönen Erzgebirge vom traditionellen Familientreffen der Friedrichs! Anlass war in diesem Jahr die goldene Hochzeit der Eltern und die silberne des 2. Sohnes mit seiner Frau. Wir hatten wieder viel Spaß beim Wandern & Feiern und haben gespürt, dass dieser Zusammenhalt glücklich macht.

Sheila Friedrich, Rostock

 

Spätes Lob

Beim Bäcker, Samstag in aller Frühe. Ich stehe um Semmeln und Brezen an. Da spricht mich ein etwas korpulenter Mittvierziger an: „Sind Sie Herr Fischer?“ Ich bejahe. „Ich war mal Schüler bei Ihnen“, sagt er, als er meinen fragenden
Blick sieht, „ich bin damals gern in die Schule gegangen. Sie waren ein super Lehrer.“ Ich weiß nicht, ob ich rot geworden bin. Es war die schönste „dienstliche Beurteilung“ meiner gesamten Zeit als ehemaliger Sonderschullehrer.

Roland Fischer, Königsbrunn

 

Kritzelei: Graphitteppich

Dieses Bild, das den Eindruck erwecken könnte, es sei während eines Vortrags des Direktors des Reptilienfonds zur gegenwärtigen Finanzkrise entstanden, verdankt sich in Wirklichkeit einem längeren Telefongespräch mit meiner Tochter Bettina zu einem durchaus erfreulichen Thema. Als sie anrief, war ich gerade mit Notizen in meinem Kollegheft
beschäftigt, die ausnahmslos unter dem Graphitteppich der Zeichnung verschwunden sind.

Ludwig Engstler, Bonn

 

Tagträume der Oma

Meine erwachsenen Töchter besuchen ihre 86-jährige Oma. Seit sie aus dem Krankenhaus wieder zu Hause ist, wird sie immer weniger. Sie ist aber bei klarem Verstand, und manchmal blitzt noch der alte Schalk aus ihren Augen. Als die Oma auf dem Sofa eingenickt ist, spielen meine Töchter Stadt, Land, Fluss. Plötzlich die Oma mit klarer Stimme: „Ach, ich würde jetzt gern alle Viere lang machen und in der Wiese ein Sonnenbad nehmen.“ Solange die Oma noch so schöne Träume hat, sind wir alle beruhigt. Möge ihr letzter Traum auch sonnendurchflutet sein!

Victorine Jeanty, Schnellmannskreuth, Bayern

 

Ins Herz getroffen

Seit einem Jahr bin ich mit einem Indien-Programm unterwegs: Ich lese Gedichte, singe Lieder und zeige Indien-Bilder. Nach einer Lesung in Düsseldorf kam eine ältere Dame zu mir und sagte: „Herr Thielemann, Sie haben mich getroffen.“ Kurz nach dem Auftritt bin ich ziemlich durch den Wind und fragte: „Wo denn? Ich kann mich gar nicht erinnern.“ Worauf sie wild gestikulierend auf ihr Herz schlug und rief: „Hier!“

Rainer Thielemann, Halfing

 

Zeitsprung: das Trauma überwinden

Februar 1945

Der pausbäckige Junge bin ich im Alter von fünf Jahren, wenige Tage vor dem Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945. Ich erlebte den Angriff in Dresden-Blasewitz, in der Senefelder Straße. Und ich überlebte ihn. Dabei wurde ich allerdings von meiner Familie getrennt und habe sie erst später wiedergefunden.

Februar 2005

Am 13. Februar 2005 besuchte ich Dresden wieder, und am gleichen Ort in der Senefelder Straße, dort, wo ich sechzig Jahre zuvor durch die Flammen geirrt war, konnte ich das Foto rechts aufnehmen. Wer immer das Graffito dort hinterlassen hat: Vielen Dank! Es hat mir geholfen, einen Teil des damals erlittenen Traumas zu überwinden.

Eckhard Lötzsch, Kirchzarten