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Alsbald: Mein Wort-Schatz

In der heutigen Welt, in der es alle eilig haben, liest und schreibt man als Steuerberater sehr häufig das Wort »schnellstmöglich«. Viel lieber verwende ich das deutlich weniger stressig klingende alsbald, das mir vor vielen Jahren in einem Brief aus der Schweiz begegnet ist, einem Land, das nicht gerade für die Kultivierung von Zeitdruck bekannt ist. Es ist eben sehr viel gemütlicher und angenehmer, etwas nur so bald als (= wie) möglich machen zu sollen, als dies schnell, schneller und sogar schnellstens tun zu müssen.

Thomas Wörsching, Lindau (Bodensee)

 

Die Kritzelei der Woche

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Mit Telefonkritzeleien lässt es sich besser telefonieren, vor allem ausdauernder. Bevor ich zu meinem Mann nach Norden zog, führten wir fünf Jahre lang eine Fernbeziehung mit vielen langen Telefongesprächen – ohne Video. Dabei sind solche akribischen Zeichnungen entstanden.

Elisabeth Engelbrecht, Winsen

 

Schlupfen: Mein Wort-Schatz

»Mama, ich will schlupfen!« sagt Jakob, dreieinhalb Jahre alt, und krabbelt mit seiner kleinen Hand flink in den Ärmel meines Pullovers. Mit dem Schlupfen wirft er zuverlässig seinen Anker in sicherem Hafen, wenn er traurig ist, sich wehgetan hat und besonders als letzten Akt vor dem Gute-Nacht-Sagen. Schlupfen hilft immer.

Ursula Garbe, Murnau am Staffelsee, Oberbayern

 

Was mein Leben reicher macht

Mit meiner zehnjährigen Enkelin auf der sonnigen Terrasse zu sitzen. Sie lackiert mir die Zehennägel und erzählt mir von ihrer allerallerbesten Freundin und von deren Sorge, ob die liebe Mama nach der Trennung von ihrem lieben Papa wohl wieder einen Mann haben kann.

Suse von Schwanenflügel, Paraza, Frankreich

 

Heimweh

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Als Hamburgerin wohne ich seit drei Jahren in München. Und jedes Mal freue ich mich, wenn der Bulli mit dem nordfriesischem Kennzeichen bei uns in der Straße steht. Wenn dann auch noch abends die Kennmelodie des Hamburg Journal im NDR ertönt, habe ich doch einen kleinen Heimwehkloß im Hals.

Julika Bake, München

 

Der Ganter

Wiese bei Godorf, vor Martini

(Nach Rainer Maria Rilke, »Der Panther. Im Jardin des Plantes, Paris«)

Sein Geist ist vom Gewatschel neben Hecken
so wach geworden, dass ihn nichts mehr hält.
Ihn können keine tausend Hecken schrecken,
denn hinter tausend Hecken steckt die Welt.

Dem Gänsemarsch in tapsend plumpen Schritten
entflieht er, fliegt, ist jetzt kein Mastvieh mehr.
Um Fertigfutter wird er nie mehr bitten.
Der Tod kommt später, ihn zieht’s übers Meer.

Von Ferne locken laut die wilden Brüder,
sein Herz bejubelt still sein neues Sein.
Am Boden klingt das Schnattern müd und müder,
doch er schwebt stolz in langer Kette heim.

Andreas Graf, Köln

 

Fahrrad-Feuerwehr

Gleich nach dem Krieg wurde mein Vater von seinem ehemaligen Arbeitgeber wieder in seinem früheren Beruf als Werksfeuerwehrmann eingestellt. In seinem Nachlass fand ich ein Dokument, das all die Probleme der damaligen Zeit widerspiegelt: Für »die Beschaffung von Fahrradbereifung« war eine Genehmigung der französischen Besatzungsmacht nötig und dafür wieder eine umständliche Bestätigung des Arbeitgebers. Ob mein Vater jemals mit dem Fahrrad zu einem Einsatz gefahren ist, das habe ich leider nie erfahren.

Günther Lang, Weisenheim am Berg

 

Naffazzen: Mein Wort-Schatz

Kürzlich blätterte ich wieder einmal in der gewichtigen Dissertation meines Freundes Jörg Riecke Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen, die er mir 1996 geschenkt hatte als »Erinnerung an jene Jahre, da die Bibliothek noch uns gehörte«. (Wir waren immer die Letzten gewesen im Lesesaal der UB in Regensburg.) Mein Blick fiel auf Seite 230: Naffazzen, ein Wort, das ich als Kind noch von der Oma in Niederbayern gehört hatte: »Sei still, der Opa naffazzt.« In den sechziger Jahren bedeutete es immer noch wie im 9. Jahrhundert »schläfrig werden, einschlafen«. Keineswegs »Nur ahd.«, lieber Jörg!

Christian Bauer, Moos, Niederbayern