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Duckdalben: Mein Wort-Schatz

Beim Spaziergang im Hamburger Hafen fragte ich, 51, meinen Vater, 81, ob diese langen schwarzen Holzpfähle im Hafenwasser eigentlich einen Namen hätten. Das seien doch Duckdalben, erklärte mir mein Vater, an denen die Schiffe festmachen, wenn am Kai kein Platz mehr ist! Er schien etwas erstaunt zu sein ob meiner Unwissenheit. So ein witziges Wort für eine so wichtige Sache, das finde ich immer wieder schön. Und besonders schön, weil es mir mein Vater erklärt hat!

Veronika Bergmann, Duchroth, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens, auf dem Weg zur Arbeit. Mit mir in der Bahn sitzt händchenhaltend ein Pärchen. Sie fährt bis zu meiner Station, er noch weiter. Als sie ihm vor dem Aussteigen ihre Wange für den Abschiedskuss hinhält, schaue ich neidisch zu ihnen hinüber.

Josef Alkatout, London

 

Zeitsprung: Ost-West-Freundschaft

Vor 25 Jahren fiel die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland, und vielleicht erinnert sich noch jemand an die Aktion, die die ZEIT damals startete: Westdeutsche Abonnenten wurden dazu aufgerufen, ostdeutschen Lesern für ein halbes Jahr die ZEIT zu sponsern. Dank dieser Idee entstand zwischen unse- rer Familie aus Jänschwalde (Brandenburg) und Familie Perchermeier aus München eine tolle, bereits 25 Jahre währende Freundschaft.
Die Abonnenten-Paarungen wurden wie bei einer Kontaktanzeige nach Interessen und Berufen zusammengestellt. Die Perchermeiers (Arzt und Lehrerin, damals ein Kind, zwei weitere sollten noch folgen) wurden dabei meinen Eltern (Arzt und Kindergärtnerin, drei Kinder) »zugeteilt«. Keiner hatte Ost- beziehungsweise Westverwandtschaft, umso größer war die Freude bei meiner Familie, als plötzlich eine Einladung nach München kam.
Im Sommer 1990 machten wir uns auf. Ein Trabbi auf der Autobahn, mit drei kleinen Kindern – die an uns vorbeiziehenden Wessis schüttelten den Kopf. Unsere Familienkutsche schaffte es aber ohne Anschieben in den Westen.
Hier prallten zwei verschiedene Lebensentwürfe aufeinander: Meine Eltern waren gerade 30 Jahre alt, das älteste Kind aber bereits fünf. Perchermeiers waren zehn Jahre älter und hatten erst eine einjährige Tochter. Trotzdem – oder gerade deshalb – war die Vermittlungsaktion ein Erfolg: Für uns wurden dadurch Ost und West auf persönlicher Ebene zusammengebracht! Und die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 feierten wir schon zusammen in Leipzig. Es folgten jährliche Unternehmungen mit Spreewald-Paddeltour, Wanderung auf die Zugspitze, Skifahren, Oktoberfest, Einladung zur Einschulung und zur Silberhochzeit… Mittlerweile sind wir Kinder erwachsen. Meine Schwester studiert in München Medizin, genau wie die älteste Tochter von Perchermeiers. Die jüngste Tochter studiert Biologie in Jena – und hat durch uns meinen Cousin kennengelernt. Jetzt sind die beiden seit fast zwei Jahren ein Paar.
Nach 25 Jahren sind unsere Familien also fast verwandt!

Anne Holzschuh, Jänschwalde, Brandenburg

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Frau zeigt mir voller Freude ihren neuen Pullover, zwar als Sonderangebot gekauft, aber immer noch recht teuer. Mit einem Schmunzeln sagt sie zu mir: »Für dich müsste es heißen ›Was mein Leben ärmer macht‹.«

Alois Geyer, Klosterneuburg, Österreich

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich mit zwei kleinen Kindern durch unsere Kleinstadt laufe und ihnen die Funktion eines Zebrastreifens erkläre. Und die beiden dann an jedem Zebrastreifen warten, bis ein Auto kommt, um voller Glück festzustellen: Ja, in unserem Land halten wirklich alle Autos am Zebrastreifen an. Sogar der Bus.
Vielen Dank, liebe Autofahrer!

Sabine Hahn, Backnang

 

Tunnelbauer im Todesstreifen

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Radeln auf der Berliner Chausseestraße. Da glänzen Messing-Hasen im Asphalt. Kunst? Joseph Beuys liebte Hasen so sehr, dass er sich einen sogar als Kühlerfigur auf seinen Bentley setzte. Oder Provokation? Nebenan eine riesige Baustelle, der Bundesnachrichtendienst. Würde passen. Hasen haben große Lauscher, perfekt zum Abhören. Prompt finden wir uns in der politischen Gegenwart wieder.
Die Recherche ergab: Es sind 120 Kaninchen, friedliche, durch ihren Tunnelbau aber auch subversive Bewohner des Todesstreifens, installiert im Jahr 1999 am ehemaligen DDR-Grenzübergang zum westlichen Stadtteil Wedding von der Künstlerin Karla Sachse.

Wolfgang K. Albrecht-Schoeck, Berlin

 

Zeitsprung: Pedalo

Als Kind war ich klein und schwächlich, deshalb suchte meine Mutter (Ruth Weidenbach) nach einem Spiel- und Sportgerät, um mich zu kräftigen. Es fand sich nichts Passendes, weshalb sie mit meinem Vater (Richard Weidenbach), der als Grafiker bei WMF arbeitete und technisch sehr begabt war, schließlich selbst ein passendes Vehikel entwickelte: das Pedalo. Meine Eltern begannen es auch zu vermarkten, waren davon aber bald überfordert – insbesondere als die ersten Plagiate auftauchten. So verkauften sie ihre Erfindung an die Firma Holz-Hoerz, die das Pedalo bis heute im Programm hat. An seinem kommerziellen Erfolg haben wir seither zwar keinen Anteil mehr, dennoch freue ich mich jedes Mal (ich bin Erzieherin von Beruf), wenn ich Kinder mit einem Pedalo spielen sehe, und natürlich fahre ich – auch nach 50 Jahren noch – ab und zu selbst gerne damit.

Winni-Sophie Gunzenhauser, Kuchen, Baden-Württemberg